Eine Auswahl an Rezensionen von Kunsthistorikerinnen und Kunsthistorikern
173 Dom Variationen - Text Dr. Christine Vogt
Wenn es nur eine Wahrheit gäbe, könnte man nicht hundert Bilder über dasselbe Thema malen (Pablo Picasso). Diese Weisheit scheint sich in besonderer Form in den Dom-Variationen von Mladen Kunstic wiederzuspiegeln. Er hat sich die Aufgabe gestellt, 173 Variationen über ein Gebäude, einen heiligen Ort zu malen. Für Kunstic eine künstlerische wie persönliche Herausforderung.
Seit einem sehr persönlichen Schlüsselerlebnis im Aachener Kaiserdom im Frühjahr 2006 fesselt ihn der Dom zu Aachen so sehr, dass er mit Leidenschaft und Begeisterung daran geht, immer neue Ansichten und Wahrnehmungen des historischen Bauwerks auszuarbeiten.
Es ist eine Work-in-progress-Situation, die eine besondere Form von Zeitlichkeit impliziert, in der Kunstic Bild für Bild als Teile eines großen Ganzen gestaltet. Bisher sind 55 der 173 Dom-Variationen entstanden, die in dieser ersten Ausstellung das Projekt vorstellen und in die Besonderheiten der Kunstic’schen Malerei einführen.
Zu dem Entstehungsprozess des Gesamtwerkes, der von Kunstic auf etwa drei Jahre geschätzt wird, gehört für den Künstler auch erklärtermaßen der Prozess der Selbstwerdung, der selbst auferlegten Klausur in seinem Atelier, die Zeit der Anspannung und der Selbsterkenntnis. Diese persönlichen emotionalen Befindlichkeiten geben den Bildern besondere Energie und Ausstrahlung.
Begleitend zum Malprozess setzt sich Kunstic mit vielfältigen Fragestellungen intellektuell auseinander. Er beschäftigt sich nicht nur mit der Geschichte jener Zeit, mit der deutschen und europäischen Geschichte, mit der Geistesphilosophie sondern auch mit theologischen Fragen. Die gewonnenen Einsichten und Erkenntnisse werden mittels Farbe, Formen und Linien auf die Leinwand transformiert, ein vielschichtiger Prozess, der in die Entstehung der Bilder greift. Die dreijährige Work-in-progress-Situation wird die Unterschiede und Spannungsverhältnisse zwischen den ersten und letzten Bildern aufzeigen.
Der Aachener Dom in seinem heutigen Erscheinungsbild, bildet die Grundlage für Kunstics Variationen. Bei einigen Bildern sind es auch ältere Ansichten, die den Malereien zugrunde liegen. Es geht ihm dabei keineswegs um eine realistische bzw. historische Wiedergabe des Bauwerks. „Ich reflektiere nicht, was ich sehe, sondern in einem Prozess des Aufspürens finde ich etwas, was bis dahin für mich im Dunkeln war“, erläutert der Künstler. Die Suche nach Mehrdimensionalität in seiner Kunst, in seinem Leben ist prägend für das Gehen eines eigenen Weges. So ist es kein Zufall, dass er sich nach wenigen Jahren Beschäftigung mit der Malerei der Bildhauerei zuwandte, um die Dinge begreifen zu lernen. Klangskulpturen, die häufig im Einklang mit der Natur standen, bestimmten seine bildhauerische Tätigkeit. Häufig konnten die Betrachter selbst durch Berühren, durch Begreifen den Skulpturen ihre Klänge entlocken.
Nach seiner Wiederaufnahme der Malerei Mitte der 1990er Jahre entwickelte Kunstic nach langem Experimentieren eine eigene Maltechnik. Er wählte als Trägermaterial für seine Bilder eine Collage-Technik aus vorgefundenen Gegenständen der Alltags-kultur; mit Vorliebe Hochglanzbroschüren aus dem Bereich der Kunstwelt, aus Büchern und Printmedien, die er in einem Spezialverfahren auf Leinwand auftrug. „Für mich geht es in meiner Arbeit um universelle Dinge und so ist ein wesentlicher Leitgedanke meiner Kunst, die Idee, ein Bild von einem Bild, auf einem Bild zu malen, um so immer eine neue Distanz zur Wirklichkeit herzustellen“.
Die Komplexität des Ortes und seine Transzendenz entziehen sich in den Bildern der Wahrnehmung der Wirklichkeit. Gedanken, wie die der Zahlenmystik, die dem Gebäude Form und Ausdruck verleihen, finden sich auch in der Zahl 173. Der Aachener Domkapitular Erich Stephany betonte, dass die Klarheit des Dombaues auf Harmonie und Proportion und den „heiligen Zahlen“ beruhe. So kann die Eins für das Göttliche, die Sieben für die Schöpfungstage und Vollendung der Genesis, aber auch für die Sakramente und mehr stehen. Die Eins und Drei addieren sich zur Vier, die für die vier Evangelien stehen kann. Eins und Sieben verbinden sich zur Achtzahl des Oktogons, dem heiligen achtseitigen Raum Gottes. Während die Drei, durch den dreifaltigen Gott, wohl die christlichste aller Zahlen ist.
„Dinge, die ihren Wert über Jahrhunderte behalten, sind enorm wirkungsvoll“, erklärt Kunstic. Dass es sich bei dem Gebäude des Aachener Doms um ein einzigartiges Ensemble handelt, zeigt nicht nur die Aufnahme in die UNESCO-Liste als Weltkulturerbe. In Harmonie vereint der Dom zwei Bauformen, die in ihrem Ausdruck unterschiedlicher nicht sein könnten.
Dem karolingischen Oktogon mit seinen mächtigen Mauern, seiner zentralistischen Geschlossenheit, seinem unübersehbaren Herrschaftsanspruch, wurde später das hochgotische Glashaus angesetzt, ein nach Osten gerichteter transparenter Chorraum, der in seiner fragilen Leichtigkeit nicht feiner sein könnte. Karl der Große ließ den karolingischen Teil zu Ehren der Gottesmutter Maria erbauen und von italienischen Spezialisten auf das Feinste mit Bronze, Marmor und anderen Arbeiten ausschmücken. Er wählte diesen Ort als seine Grablege, die von späteren Generationen prunkvoll ausgestattet wurde. So hinterließ Karl nach seinem Tode der Stadt Aachen ein unsterbliches Vermächtnis: Seit 814 ist die Pfalzkapelle seine Grabeskirche, sie wurde so zum Kaiserdom. Seit dem 14. Jahrhundert umfängt der „Glasschrein“ des Bauwerks den Goldschrein des Kaisers. Viktor Gielen äußert sich zu Karl d.Gr. 1978 in seinem Buch „Im Banne des Kaiserdomes“ so: „Leuchtturm Europas“ hat man treffend Karl den Großen genannt, jenen Mann, der dem Abendland seine Gestalt gab. Wenn Jahr für Jahr so viele tausende Menschen zu seiner Grabeskirche pilgern, ist es nicht vor allem deshalb, weil sie in ihrem Unterbewusstsein die Sehnsucht hegen, nach allgemein verbindlichen Wertvorstellungen, nach einem christlichen Einheitsreich, wie Karl es anstrebte? Ist es nicht, weil sie etwas wie Heimweh verspüren, nach dem Gottesreich auf Erden, nach dem Reich des Friedens, Abbild und Vorbild des himmlichen Jerusalem, das Karl in seinem Dom darstellen wollte?“
In seiner typischen expressiven Formensprache öffnet Kunstic immer neue Blickwinkel auf das vermeintlich Bekannte. Häufig ist es die Kontur, die in Gelb, Rot, Schwarz oder Blau den Umriss der Domsilhouette markiert. Manchmal scheint es, als ob auf eine abstrakte Weltansicht die Kontur des Domes übertragen würde (Variation Nr.15, 20). Die Assoziationsmöglichkeiten sind zahlreich. Eine der Variationen (Nr.5) scheint selbst zum Goldschrein zu werden. Kunstics Bild erleuchtet nicht nur die Chorhalle, es lässt die gesamte Südansicht als Goldschrein erstehen. Dieses Bild transformiert den Gedanken der Kostbarkeit, des Glanzes und des Lichtes.
So erstrahlt der Dom, von innen beleuchtet, in festlichem Licht (Variation Nr.12). Die aus den Fenstern herausspringenden expressiven, gelben und orangenen Farblinien lassen auch an Feuer und Brand denken. Zwar wurde der Aachener Dom von all diesen Gefahren über die Jahrhunderte hinweg verschont, doch verbindet jeder Aachener mit dem großen Stadtbrand von 1656 die Vernichtung der mittelalterlichen Bebauung der Aachener Innenstadt (bis auf Dom und Rathaus). Ebenso bei den Bombardements im Zweiten Weltkrieg, wo allein der Dom – wie durch ein Wunder, ohne größere Schäden bzw. Zerstörung überdauert hat.
Historische und christliche Inhalte binden sich an dieses Gebäude; die Menschen bestaunen dieses Bauwerk, diese Kirche, die aus tiefem Glauben entstanden ist und gleichzeitig christliche, karolingische und deutsche Machtgeschichte aufzeigt.
„Die europäische Geschichte liefert den schlagenden Beweis dafür, was für eine entscheidende Rolle die Ideen im Schicksal der Menschen spielen (…) Keine politische und keine militärische Macht, sondern die von der Kirche ausgehende geistige Kraft verlieh Europa seine Stärke,“ sagte Leo Tindemans, belgischer Premierminister, bei der Verleihung des internationalen Karlspreises in Aachen 1976.
Das Unsichtbare sichtbar machen
Die Fantasie, die Intuition sind für Kunstic das zentrale Moment bei seinen Variationen. Unzählige Menschen haben in über zwölf Jahrhunderten diesen Ort besucht, das Gebäude wahrgenommen, in ihm gebetet und ihre Bitten als Hoffnung in Bilder und Ideen gekleidet. Die entstehenden 173 Dom Variationen sind eine kleine Schöpfung und Annäherung an diese vielen Bilder. Eine von Kunstic auferlegte Beschränkung in der Zahl und Machbarkeit.
Das 173 Bilder Unsichtbares sichtbar machen können, ist fraglich. Doch geben sie eine Grundlage für neue Einsichten und können zugleich ein Spiegel für die Gedankenbilder des Betrachters sein. Gerade in der heutigen säkularisierten Gesellschaft bedarf es Anregungen, in der Verweltlichung Zeit und Raum zu schaffen für Sinn suchende, auch mystische Erlebnisse. Kunstics Bilder reichen über den realen Raum hinaus, hinein in etwas Imaginäres. Sie bieten die Möglichkeit des Eintauchens in sich selbst und in geheimnisvolle und magische (Innen-)Welten. Die Bilder zeigen keineswegs nur den Außenraum. Im Gegenteil, über das Außen des Domes wird etwas über sein Inneres ausgesagt. Das Äußere spiegelt Inneres.
Mladen Kunstic sieht Aachen als zentralen Ort in der Werdung Europas. So soll von Aachen aus das Ausstellungsprojekt in verschiedene europäische Länder reisen. Der Aachener Kaiserdom und die 173 Kathedralen könnten so zum Sinnbild des einigen und friedlichen Europa werden.
Gottes heiliges Haus entsteht aus lebendigen Steinen
Text Dr. Angela M. T. Reinders
„Ich möchte nicht in ein er Welt ohne Kathedralen leben. Ich brauche ihre Schönheit und Erhabenheit. Ich brauche sie gegen die Gewöhnlichkeit der Welt. Ich will zu leuchtenden Kirchenfenstern hinaufsehen und mich blenden lassen von den unirdischen Farben. Ich brauche ihren Glanz. Ich brauche ihn gegen die schmutzige Einheitsfarbe der Uniformen. Ich will mich einhüllen lassen von der herben Kühle der Kirchen. Ich brauche ihr gebieterisches Schweigen. […] Ich liebe betende Menschen. Ich brauche ihren Anblick. Ich brauche ihn gegen das tückische Gift des Oberflächlichen und Gedankenlosen. […] Eine Welt ohne diese Dinge wäre eine Welt, in der ich nicht leben möchte.“ Der Autor Pascal Mercier legt diese Worte Amadeu Prado, einer Romanfigur, in den Mund, dessen Leben man lesend im Buch „Nachtzug nach Lissabon“ auf die Spur kommt. Fast zornig verteidigt der Romanprotagonist die Präsenz heiliger Räume in der Welt, gegen die Welt, als mahnendes Zeichen für die Welt.
So richtig es ist, dass die Kirche und die Menschen, die in ihr eine Liturgie feiern, die in ihr beten und in ihr mit Gott und untereinander Gemeinschaft haben, nicht die profane Welt vergessen können – was wäre ein Gottesdienst ohne Menschendienst? –, so richtig ist auch, dass das Heilige und die Räume, in denen es wohnt, den Menschen unverfügbar sind. Gott ist „der Heilige“. So sagt es die Liturgie. Doch Gott ist nicht nur der Heilige, wenn Menschen diese Worte singen und sagen, wenn sie ihn als den Heiligen bekennen. Gott ist schon vor jedem Menschenwort heilig. Er bleibt dem Menschen unverfügbar.
„Raum“, „Makom“ als Wohnraum der Schechina, der Weisheit Gottes, ist sozusagen einer der Namen dieses heiligen, unverfügbaren Gottes. Gott, der Raum ist und schenkt, räumt den Menschen Raum ein, damit sie darin wohnen. Die Menschen, die den Raum als Gabe aus der Hand Gottes empfangen und empfinden, glauben, dass Gott ihren Lebensraum umfängt und darin gegenwärtig bleibt. Darum kann der Mensch ihm darin begegnen:
Mose überschreitet den Raum, innerhalb dessen klar umrissenen Grenzen er sich üblicherweise bewegt. Er treibt die Schaf- und Ziegenherde, die er hütet, an einem Tag in kühnem Entschluss „über die Steppe hinaus“ (Ex 3,1). So, im Überschreiten eigener Grenzen, wird möglich, dass er Gott begegnet. Der heilige Raum Gottes ist jedoch, neudeutsch und im Wortsinn, ein „no go“, ein nicht zu betretender Raum: „Komm nicht näher heran. Leg deine Schuhe ab; denn der Ort, wo du stehst, ist heiliger Boden“ (Ex 3,5).
Umgeben vom Heiligen, von Gott, der Lebensraum einräumt, kann der Mensch die Welt bewohnen. „Wohnen bedeutet für den Menschen, eine Stätte des Bei-sich-Seins, der Selbst-Begegnung und der Begegnung mit vertrauten Menschen zu haben. Sakrale Räume fügen als dritte Dimension die Begegnung mit dem Anderen, mit Gott, hinzu.“
Raumwege
Dieses Gespür für die dritte Dimension hatte in anderen Religionen und Kulturen sogar zunächst größeren Stellenwert als in der christlichen. Mircea Eliade, rumänischer Religionswissenschaftler (1907–1986), hob das mythische Raumgefühl ins Bewusstsein, nach dem der Mensch unterscheidet in „bedeutungsvollen“ und „amorphen“ Raum. Wer aus dem brüchigen, rissigen amorphen Raum in den bedeutungsvollen wechselt, übertritt Schwellen – die Schwelle zur „Heimat“ der eigenen Wohnung zunächst, dann die Schwelle zum heiligen Raum. Die aktuelle Renaissance der „Heimat“ lässt erkennen, dass Menschen dieses mythische Raumdenken bis heute nachempfinden. Sakrale und „[…] kirchliche Gebäude […] zeigen demjenigen, der in sie hineingeht, an, dass er bei seinem Eintritt die Schwelle vom Sinnbezirk des Alltags und dessen pragmatischen Zwängen überschritten und sich in einen anderen „Sinnhorizont’ hineinbegeben hat. [Sie sind …] Verweise auf etwas, das den Alltag transzendiert und dennoch wortwörtlich, räumlich und städtebaulich oft genug mitten im Alltag steht." Die Schwellen zum Heiligtum waren es von jeher, die das Numinose, das Unverfügbare eines Kultes in seinen bedeutungsvollen Grenzen erfahrbar machten. Das Christentum hat es manches Mal verstanden, in neu missionierten Gebieten die Kontinuität eines heiligen Bereiches, eines heiligen Ortes oder Raumes zu wahren. Dort, wo Menschen Jahrhunderte lang andere Götter, andere Riten, andere Kulte gefeiert hatten, dort nahm nun der Gott der Christen seinen Platz ein.
Das Christentum selbst begann seine eigene Geschichte unter Anfeindung und Verfolgungsnot. Über drei Jahrhunderte lang dauerte der Weg aus Privathäusern, heimlichen Versammlungsorten und Katakomben heraus, bis christliche Gemeinden endlich Raum einnehmen konnten. Eine der bekanntesten Kirchenformen, die Basilika, ist ja gar keine genuin christliche. Gerichts- und antike „Mehrzweckhallen“ erfuhren nun ihre neue Bestimmung als Vorbilder für christliche Kirchenräume. Endlich gab es große Bauten, für alle zugänglich, die danach gestaltet wurden, wie der Gottesdienst sich im Lauf der Jahrhunderte entwickelte. Aus Bauten wurde nach und nach „gebaute Liturgie“. Das Geschehen im Raum, die Feier der Gemeinschaft mit und in Gott, heiligte den Raum – diese Dimension fügte sich zu dem hinzu, was die Wahl der Stätte zur Begegnung mit dem heiligen Gott vorgab.
Am Ort heilender Kraft
Das liturgische Geschehen im heiligen Raum der Kirche und die Raumgestaltung waren eng verknüpft mit dem Kirchenbild der Zeit. Karl der Große konnte als Kind seiner Zeit und ihrer darin vorherrschenden Theologie kaum ein anderes Bild als die Sichtbarmachung der göttlichen Legitimation der Königsherrschaft als Gestalt des Reiches Gottes auf der Erde haben. Auch konstantinisch und justinianisch spiegelte der Kirchenbau das wider. Der eigenen Frömmigkeit und der gottgegebenen Macht als König wollte Karl in einem eigenen Kirchenbau sichtbar Gestalt geben. Zwei Fragen muss er sich dabei gestellt haben: Wo ihn bauen lassen? Und zweitens: wie? Dass Karl Aachen – vornehmlich wegen der Heilkraft der heißen Quellen und der strategisch günstigen Lage – besonders schätzte, ist hinlänglich gesichert.
Schon der fränkische Vorgängerbau des heutigen Oktogons war mit Gespür für eine Heiligkeit des Ortes im vierten oder fünften Jahrhundert anstelle römischer Bauten errichtet worden, die unter anderem ein Quellbecken umfassten. Es ist gut möglich, dass hier zu früheren Zeiten der gallorömische Heilgott Granus verehrt wurde. Das daraus sprudelnde Wasser mit seiner Heilkraft bezog man in eine Taufkapelle der pippinidischen Vorgängerkirche ein; so konnte lebendiges Wasser (Joh 4,13) zur Sakramentenspendung dienen. Später errichtete man in diesem kleinen Kirchbau – sicher vor 765 – einen Reliquienaltar und umbaute ihn mit einer Kapelle. Hier liegt die Keimzelle für Karls Anlage.
Die Liturgie, die später in „seiner“ Kirche gefeiert werden sollte, würde maßgeblich werden im Vereinheitlichungsprozess für die Reichsliturgie, den Karl der Große in Gang setzte. Es sollte keineswegs seine ganz private Pfalzkapelle entstehen, sondern, wie es im achten Jahrhundert zunehmend üblich wurde, eine an Maria – die „Himmelskönigin“ – geweihte Kirche, die Raum gab für tägliche Messfeiern an wechselnden Altären, für das Chorgebet der dort eingesetzten Kanonikergemeinschaft und für das Gebet für Karl den Großen und die stabilitas regni, die in Gott gefügte Herrschaft des Königs.
Wie nun einen solchen heiligen Raum errichten und gestalten lassen? Auch, wenn Karl selbst den Entwurf vorlegte, wird der Raum, den er bauen lassen wollte, auch für ihn noch fremd, noch unvorstellbar gewesen sein. Solche Annäherung an einen heiligen Raum als den fremden entspricht seiner letztlichen Unverfügbarkeit: „Zu Hause bin ich nur bei mir selbst; dort, wo meine Lieder gesungen werden, meine Sprache gesprochen wird, meine Lieblingstexte zitiert werden, und zwar in der Weise, wie es mir am besten gefällt“, sagt der Religionspädagoge Fulbert Steffensky (*1933) aus Hamburg. „Zu Hause bin ich nur bei mir selbst – welch eine erstickende Heimat das wäre! […] Ich bin mir selber nicht genug – das lernt man langsam im Leben. Und ich brauche mehr als mich selber. Ich brauche also die Fremde. Ich brauche die Gedanken, die Gesten und die Glaubensspiele meiner alten und meiner jungen Geschwister. Ich brauche die Lieder der Toten.“ Es ist wichtig, diesen Glauben zu erlernen und ihm Ausdruck zu geben „[…] auch in der Sprache der Geschwister, die mir nur halb zu eigen oder gar fremd ist.“
Dass diese Sprache auch ganz fremdem Zungenschlag folgen und weltumspannend sprechen kann, das dolmetschte Karl in seinen Entwurf für die Marienkirche hinein. Im Jahr 787 wurde er inspiriert von San Vitale, dem Zentralbau in Ravenna, der selbst geistes- und baugeschichtlich an die konstantinopolitanische Hagia Sophia anknüpft. Im Auftrag Karls leitete der Baumeister Odo von Metz die Arbeiten am ersten großen Kuppelbau nördlich der Alpen. Karl verschmolz viele Elemente in seinen heiligen Raum. Er brachte ungewöhnliche und unvertraute ein wie überhaupt die Idee eines Zentralbaus in dieser Gegend. Er wahrte überkommene römische Stilelemente – nun sakral geprägte Bögen nach dem Vorbild römischer Triumphbögen für den Saalbau – und Materialien – die vorpippinidischen Mauerreste, die er kleinmahlen und zu Mörtel verarbeiten ließ, um damit auf zukunftsweisend neu architektonisch konzipierten Fundamenten bauen zu können. Von Papst Hadrian (772-795) erhielt er die verbriefte Genehmigung, Säulen und Marmor aus dem vierten bis sechsten Jahrhundert von Ravenna nach Aachen transportieren zu lassen. Die geistesgeschichtlich „fremdsprachlichen“ Einflüsse unterlegte er für den heiligen Raum seiner Marienkirche mit dem vertrauten Grundklang der Bibel. Wer die Schwelle in den heiligen Raum übertrat, sollte sozusagen die Muttersprache des Ersten und Zweiten Testaments wieder erkennen. Das ursprünglich außen rotfarbene Oktogon griff mit der Achtzahl, angelehnt an die Vorbildbauten, biblische Symbolik auf: die Überlebenden der Sintflut, die Visionen Sacharjas zum Plan Jahwes, das zerstörte Jerusalem wiederherzustellen, die Seligpreisungen, der Tag der Auferstehung Jesu – vom Beginn der vergangenen Woche aus gerechnet – nach Lk 24,1.
Die Maßeinheit, fränkische Fuß, rechnete das Gesamtkonzept für den Kirchenbau in Zahlenverhältnisse um, korrespondierend mit der biblisch apokalyptischen Zahl der Geretteten (Apk 7,4-8): Laut des Zeugnisses Alkuins, Karls „Kultusministers“, verfolgte Karl der Große hinter allem, das biblische Bild von der himmlischen Stadt Jerusalem (die ebenfalls nach biblischer Auskunft 144 Fuß misst) schon jetzt in Stein zu zeichnen und mit deutlichen Anklängen an den Jerusalemer Tempel die göttliche Beauftragung zu diesem Bau sicht- und tastbar zu machen. Als die Marienkirche den Pilgeranstrom nicht mehr fassen konnte, löste man das Raumproblem schließlich durch den Neubau eines gotischen Chors anstelle des kleinen karolingischen, Baubeginn war im 14. Jahrhundert. Mit seiner Architektur und Zahlensymbolik – zwölf Pfeiler, getragen von zwölf Aposteln und zwei zusätzlichen Pfeilern, die Maria und Karl abbilden, stützen ihn – wurde der Chor zum eigenständigen Abbild des himmlischen Jerusalems, zum „Bild eines Reiches, das Erlösung verheißt“. Im Aachener „Glashaus“, wie die Chorhalle genannt wird, wurde die bis dahin größtmögliche Transparenz der Wand erreicht – um das Licht der himmlischen Stadt innerhalb des heiligen Raumes einzufangen, das „klar wie Kristall“ (Apk 21,11) leuchtet. An der eindeutigen Vertikalität der Gotik kann der Himmel niederschweben, sich in die Welt der Menschen einlassen, damit sie ihm glaubend und betend nahe kommen dürfen.
Später fügte sich der Kapellenkranz an das Kirchengebäude an, Räume, die pilgernden Menschen eine Heimat boten, die bei den Aachener Heiligtümern das Ziel ihrer Sehnsucht fanden und sich dabei über ihre eigene Sehnsucht nach Gott klar wurden: „Der Mensch muss sich über sein Suchen klar werden. Zunächst sucht er sich. Zu entdecken bleibt ihm, dass er sich nur auf dem Weg über den anderen und in der Nähe des Christus ganz finden wird.“ Gerade die Ungarnkapelle bezeugt, wie heilige Räume gewachsene Beziehungen symbolisieren und bestärken, als seien sie ein Haus, das erst aus lebendigen Steinen entsteht.
Haus aus lebendigen Steinen
Reliquienkirche, Grabkirche Karls des Großen, Krönungskirche, Bischofkirche – 1802 für kurze Zeit und ab 1930 durchgängig bis heute: Natürlich ist der Aachener Dom alles das. Doch lässt er sich weder hinlänglich durch diese Begriffe beschreiben – als reiner Zweckbau fehlt ihm jede Dimension, die ihm erst seine Bedeutung gibt. „Die Aachener Marienkirche war und ist immer mehr gewesen als ein bloß historischer und faszinierender Bildungsort musealer Schönheit und kultureller Reminiszenz. Sie war und ist ein heiliger und Ehrfurcht gebietender Raum.“ Was ihr Anliegen ist, hat Karl der Große für alle Zeiten ihres Bestehens in sie festgeschrieben: „Cum lapides viri paris compage ligantur – Gottes heiliges Haus entsteht auch aus den lebendigen Steinen“, lautet die Bauinschrift.
„Wo sonst sollen wir mit unseren Gefühlen hin“, mit dem Glauben und Suchen, mit der Not und der Freude? Der heilige Raum birgt und bewahrt, was je in ihm gesprochen, geweint, geküsst und beklagt, gebetet und leise gehofft, gebeichtet und verschwiegen wurde; alles, was erst der „fremde“ heilige Raum ins Bewusstsein der Betenden hob.
„[…] Gäbe es in der über 1200-jährigen Geschichte dieses Doms nicht kontinuierlich den betenden Menschen, dann stünde dieser Dom nicht mehr und Aachen wäre heute wahrscheinlich ein Dorf mit warmen Quellen und Dauerkeks“, formuliert provokant der Aachener Hochschulpfarrer Christoph Stender. So aber ist mit den „lebendigen Steinen“ der Glaube präsent. Wer den Dom betritt, übertritt die Schwelle zur geräumigen Verheißung der Bibel: „Ich sah die heilige Stadt, das neue Jerusalem, von Gott her aus dem Himmel herabkommen, sie war bereit wie eine Braut, die sich für ihren Mann geschmückt hat. Da hörte ich eine laute Stimme vom Thron her rufen: Seht, die Wohnung Gottes unter den Menschen! Er wird in ihrer Mitte wohnen und sie werden sein Volk sein; und er, Gott, wird bei ihnen sein. Er wird alle Tränen von ihren Augen abwischen: Der Tod wird nicht mehr sein, keine Trauer, keine Klage, keine Mühsal. Denn was früher war: ist vergangen. Er, der auf dem Thron saß, sprach: Seht, ich mache alles neu“ (Apk 21,2-5a).
Angela M. T. Reinders
Dr. Angela M. T. Reinders, geb. 1965 in Aachen, Studium der Theologie in Bonn und Münster, Redakteurin und Lektorin beim Bergmoser + Höller Verlag, Aachen.
Bewegung ist Leben
Dr.Gerhard Effertz Katalogtext-Ausstellung Sammlung Ludwig Januar1987
Bewegen. Sich. Von Pssivität zu Aktivität. Ein Gehen zu, ein Sich-Einlassen-auf. Ein erster Akt der Kommunikation. Noch oberflächlich, doch dann- im Raum, im Raum des Objekts, in der Konkretisierung der Imagination, der Vision. Die An-ordnung des Objekts, seine innere Stimmigkeit wird zu derjenigen des Betrachters, nein, eher des aktiven Spielers. Die einzelnen Elemente finden sich im Objekt aus ihrer Ordnung, ihrer Funktion herausgenommen, gewinnen so ein Eigenleben in einem a-normativen, freien Raum. Konzentration auf ein Element, das man vorher nie für sich, außerhalb seiner Funktionalität begriffen hätte.
Befreien, Öffnen, Erweitern der Wahrnehmung. Und- wie das freie Element Verbindung eingeht mit dem nächsten, den Blick lenkt auf bislang ungesehene Brücken, versperrt-verborgene Zusammenhänge, Zusammenklänge, so stiftet auch der Spieler neuen Sinn, indem er sich in den Raum des Objektes stellt, sich im Material versenkt, tastend sehend horchend.
Das Objekt ist nun nicht mehr bloßes Medium, es lebt zugleich, es ist. Mit dem Leben synchronisiert sich der Spieler, die Erfahrungsmöglichkeiten des Objekts werden zum Erlebnishorizont des Spielers. Mit der Gestaltetheit des Objekts wird für den Menschen seine eigene Gestaltetheit, Systematik deutlich. Gleichzeitig die Willkür jener Ordnung, die er schafft, und die Möglichkeiten, sich und Welt anders zu erfahren, in einem neuen Licht.
Das Objekt, als lebendes Etwas erlebt, wirft den Spieler zurück auf sich selbst. Macht ihm seine eigene und gleichgeartete Körperlichkeit, Objekthaftigkeit bewusst. Veranlasst den Spieler, vom Hineinhorchen in den Objektraum überzugehen zu einem Innehalten und einem Hineinhorchen in sich selbst. Spiel. Spiel, das zu Erkennen führt.
Mladen Kunstics Objekte halten uns an, dem Klang der Materialien zuzuhören, uns darin zu vertiefen. Wie die Objekte sind nun auch wir Resonanzkörper, in Schwingung versetzt und schwingend ein Teil des „musikalischen Universums“, wie Paul Valéry es genannt hat. Die Objekte sind, wie wir, Existenzen von individueller Kraft, zugleich eingebettet in eine komplexe Harmonie, deren Wesen sich uns entzieht, die wir deswegen oft nur als Zufall begreifen. Dieser Harmonie können wir uns nur annähern. Kunstics kommunikative, kinetische Klang-Objekte zeichnen hier einen möglichen Weg, die Enge des menschlichen Sehens, Fühlens und Begreifens zu überwinden. Als Bewegung zu einer Ursprünglichkeit.
Kunstics Objekte sind Stationen, Merkmale einer Suche. Einer Suche nach Sinn, einem Sinn, einer inneren Heimat jenseits vorgegebener Erklärungssysteme. Die Suche nach einem Zipfel Wahrheit lässt Objekte entstehen als Zeichen, Zeichen für die Suche nach einem Zeichen. Eine Stimme, die in einen Körper „verklingt“ und wieder aus ihm herausklingt.
Kunstics Kunstwerke sind diese Stimme, sind der Weg zum Universellen. Sie ziehen einen Vorhang beiseite und schaffen einen sinnlichen Zugang- als räumliches Hieroglyph eines vage zu erahnenden Urbildes.
Die Objekte sind Aufforderung, sich nicht selbsterzeugten Einengungen zu unterwerfen, die den Einzelnen unfrei, zum Werkzeug seiner eigenen Projektion von Welt machen. Kunstics Objekte sind Aufforderung und Weg, sich freizumachen für eine weiter gefasste Menschlichkeit, die jedes Handeln zum universalen Handeln macht und daher Verantwortung fordert- ein ruhiges, selbst-bewußtes Aus-sich-heraus-Handeln, im Bewusstsein, Teil eines dynamischen Ganzen zu sein.
Gabriele Uelsberg Kunsthistorikerin und Museumsdirektorin in Mühlheim
Ausstellungstext Galerie Henn Maastricht/Holland 1990
Kunst ist wie ein Spiel; nur im Zustand der Unschuld erfassen wir ihren tiefen Sinn und wer weiß, ob das nicht für alles Menschliche gilt.“
Dieser von dem spanischen Künstler Antoni Tapies formulierte Ausspruch trifft im besonderen Maße auf Mladen Kunstic zu.
Klangskulpturen
Kunstics frühe Skulpturen, seine sogenannten Kommunikativen-Kinetischen-Klangskulpturen laden den Betrachter zum Spiel ein. Man kann an Kurbeln drehen, Stäbe vibrieren lassen, Stahlbogen zum Schwingen bringen, auf Platten drehen oder mit Klöppeln gegen Eisenkörper hämmern. Die Klang- und Geräuschvielfalt, die dabei entsteht, ist maßgeblicher Bestandteil der Skulpturen. Es sind Bewegungs- und Klangskulpturen, die sich dreifach erschließen: in Form, in Bewegung, in ihrer Musik. „Bewegung ist Leben und jede Bewegung impliziert Klang. Leben ist Klang. Jedes Herz pocht, das Blut pulsiert und so hat selbst jeder Mensch seinen eigenen individuellen Klang“. Wie spezifischen Musikinstrumenten ist jeder einzelnen dieser Arbeiten einer eigenen Klangsprache zu eigen, eine persönliche Musikalität jenseits des klassischen Notensystems. Darüber hinaus besitzt jede dieser Skulpturen eine Eigendynamik, einen breiten Rahmen von Bewegungsvarianten, die vom Betrachter in Gang gesetzt werden. Es schwingt und wackelt, vibriert und schaukelt, und man selbst ist aufgerufen, alle gegebenen Möglichkeiten auszuschöpfen. Der Betrachter wird zum Mitakteur, zum Partner der Skulptur und damit auch zum notwendigen Bestandteil dieser Kunst, denn ohne Partner bleiben die Skulpturen stumm und werden nicht aktiv. Die äußere Form der Skulpturen entspricht dabei ihrem jeweiligen Klangcharakter, so sind die wuchtigen Arbeiten laut und donnernd, die filigranen leise und zart, die schlichten einsilbig und beherrscht und die komplexen vielstimmig und ausschweifend. Diese Skulpturen Kunstics setzen sich aus Fundstücken (object trouvé) zusammen. Er sammelt metallene Gegenstände auf Schrottplätzen und entwickelt aus einem ganz privaten Dialog mit diesen Dingen neue Zusammenhänge, Geschichten und Formumdeutungen. Da soviel Persönliches in diese Skulpturen einfließt, entsteht der Eindruck, dass die eine oder andere Skulptur ein Eigenleben führt. Die monströse Plastik mit dem Titel „Für die Kinder“ mag in unbeachteten Momenten durchs Atelier wackeln. Ihr Töne zu entlocken ist anstrengend, verlangt den vollen Einsatz des Betrachters und belohnt ihn dafür mit einem infernalischen Getöse. Andere Skulpturen wieder klingen zart und verhalten wie Glockenspiele. Dünne Stahlstäbe, in kurzem Abstand nebeneinander stehend, vibrieren und klingen nach einer Berührung noch lange nach und fordern den Betrachter durch ihre Filigranität zum langen Verweilen auf. Ganz eins werden Betrachter und Skulptur bei der Arbeit „Der Dirigent“, die man gleichsam betreten kann und durch das eigene Gewicht und die Bewegung zum Instrumentarium eines kleinen Orchesters macht.
Federstahlskulpturen
In jüngster Zeit hat sich der Ausdruck von Kunstics Skulpturen verändert. Dies hängt in erster Linie von der Verwendung eines neuen Werkstoffs ab, den er nicht mehr auf den Halden der Schrottplätze findet. Es handelt sich hierbei um glänzende Federstahlbänder. Diese werden auf verschiedenste Art gestaltet. Zum einen spannt er sie bogenförmig und schraubt sie in regelmäßigen Abständen auf variierende Holzkerne, wodurch Negativformen entstehen. Es gelingt ihm auf diese Weise, mit Hilfe der Federstahlbänder gleichsam Skulpturen zu modellieren. Je nach der Länge dieser Bänder verändert sich bei den gespannten Bögen der Durchmesser, sodass Schwellungen, Einziehungen, konkave und konvexe Formen sich bilden. Auch bei diesen Arbeiten ist der Klang und die spezifische Musikalität der Skulpturen wichtig. Die Federstahlbänder besitzen einen ganz konkreten Klang, der auf Spannung beruht. Durch sanftes Anschlagen dieser „Saiten“ werden diese zur Vibration gebracht, wodurch Klang entsteht. Zum anderen befestigt er Reihen dieser Bänder von zum Teil unterschiedlich abgestufter Länge an gespannten Drahtseilen und lässt sie frei hängen. Bei diesen Installationen verursacht der Wind ein fast permanentes, klingendes Aneinanderstoßen. Die Möglichkeiten, die Kunstic nun im Umgang mit diesen Stahlbändern zur Verfügung stehen, in Kombination mit ihren Klangqualitäten, befähigen ihn, seine Skulpturen noch stärker nach formal-ästhetischen Kriterien aufzubauen. Verstärkt wird dies auch durch die Wirkung des Federstahls selbst, seinen Glanz, die enge Reihung und durch die Negativformbildung der Bänder: eine nahezu optische Irritation die nun auch verstärkt das Licht mit in die Skulpturen einbezieht. So gewinnen die Skulpturen eine besondere Einheitlichkeit. Die früheren Skulpturen waren vor allem von der natürlichen Farbigkeit gebrauchten und rostigen Materials bestimmt. In den neuen Skulpturen findet sich eine neue und andere Farbigkeit, die auch kräftige Blau-, Rot- und Türkistöne beinhaltet.
Symbolische Objekte
Manche Gegenstände, die sich gerade in den neueren Skulpturen finden, besonders in den „Ikarus“- und „Holländische Landschaft I-III“ – Skulpturen, haben hier nahezu symbolische Bedeutung. Ein Beispiel dafür ist der Stuhl, der sich in immer neuen Variationen findet, mal nur als Relikt- in Verwendung von Stuhlbeinen, Lehnen oder Sitzflächen – mal in komplexer Form.
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Wind – Installationen
Die Verknüpfung von Natur- Lebensphilosophie und Kunst im Werk dieses Künstlers wird in einer Serie von Arbeiten besonders deutlich, die er direkt in Verbindung zur Natur- zur Landschaft in diesem Fall – geschaffen hat. Große, an gespanntem Drahtseil frei hängende Federstahlband-Skulpturen, zwischen Bäume gehängt, wurden für Monate Bestandteil der Natur. So entstanden Windskulpturen, die allein durch die ständige Bewegung der Luft und die dadurch ursächliche Bewegung der Bänder und ihr Aneinanderstoßen Klänge hervorbrachten. Auch diese Skulpturen oxidieren, verändern so ihren Klang, ihre Farbigkeit und altern auf ganz natürliche Weise. Hier besteht kein Angebot mehr zu Handlungen des Betrachters, wohl eine Veranlassung zu meditativer Anschauung. Mladen Kunstics Kunstbegriff zielt darauf, Natur und Leben in seinen Arbeiten zu imaginieren und so über die Kunstreflexion zu einem Nachdenken über sich selbst und seine Umwelt, über das Wesen der Welt zu gelangen. Wichtig ist Kunstic der Prozesscharakter der Skulpturen selbst, wie auch die unterschiedlichen Prozesse zwischen seinen Skulpturen und den Rezipienten.
Geräusch-Klang-Schwingung
Dr.Gerhard Effertz Veröffentlichung in TOP Magazien 1989
Lust an der Provokation, der Hang zum Spiel, zum Überschreiten von Konventionen- das hat
sich geglättet. Die kreative Energie hat ihr Ziel, ihre Form gefunden. An die Stelle des Eruptiven, des Zufälligen, ist die ausgewogene Komposition getreten, die hintergründige und feinsinnige Welt des Klangs.
Als rasselnde Phantasiemaschinen à la Tinguely kommen sie daher, die früheren Skulpturen des Mladen Kunstic. Schnarrend-scheppernde, pfeifende Objekte, aus dem Chaos, aus stählernen Fundstücken geschöpft zu neuer Gestalt, neuer Ordnung, durch Bewegung zu geräuschvollem Leben erweckt, neuer Sinn in entfremdeten Dingen. In den neuen Arbeiten ist Kunstic stiller geworden. Das Vordergründige, fast Naiv-Spielerische ist gewichen. Die Objekte sind getragen von einem bewussteren, distanzierteren Gedankenprozeß, von einer ästhetische durchformulierten Sensibilität. Die Objekte, die Mladen Kunstic entwirft, Wolkenkratzerlandschaften, an Mumien und Vasen erinnernde, geschwungene, organische Formen, Augen und schwangere Leiber- all dies ist von einfühlsamer Poesie. Zentral ist hier der Aspekt der Bewegung geblieben.
„So wie die Bewegung in meinen Skulpturen vorhanden ist, so bin auch ich der Wille zur Bewegung, der Hang zum Forschen, Entdecken, der Drang zum Suchen. Die Freiheit zum Schaffen ist und bedingt für mich permanente Offenheit und Aktivität“. Durch Reduktion, den Verzicht auf das Augenfällige sichtbarer geworden, was in früheren Skulpturen in der Geräuschvielfalt eher unterging. Ursächlich ist hier, dass Kunstic mit Federstahlband sein übergreifendes Gestaltungsmittel gefunden hat. Die Bänder sind silbrig, von poliertem Glanz, die Skulpturen von einer glänzenden, glatten Ästhetik. Doch: Die Bänder rosten, oxydieren, verändern sich. Und gerade hier, in der Veränderung der glatten Struktur, liegt das Element der Bewegung. Wo die früheren Arbeiten noch bewegt werden mussten, so wird Schwingung nun im Stillstand sichtbar. Die atomare Bewegung von Materie, die innere, unsichtbare Bewegung eines Körpers gewinnt hier Gestalt in der allmählichen, immer weiter fortschreitenden Auflösung eines im Momentum festgehaltenen
Spannungszustandes. Aufgefangen in den Skulpturen ist das Schwingen von Materie, in der eingefassten, eingefangenen Vibration der still-klingenden Bänder. Diese verhaltene Schwingung ist auch jene der sich verändernden Natur, des Lebens an sich: Die Bänder ändern ihre Oberfläche, ihre Farbe. Oder sie machen, indem sie stets gleich bleiben, die Veränderung um sie herum bewusst. Neben der Entwicklung des Klanggeräusches zum Universellen, Sphärischen, neben der Verwendung neuer, alter Materialien wie Holz, Farbe und Lack liegt ein weiteres wichtiges Element darin, wie Kunstic in Bewegung bringt, Dinge und Gedanken in Gang setzt. Der Betrachter muß Stellung beziehen, und damit tritt er in einen Dialog mit der Skulptur ein. Auf diesen Schritt, die Entscheidung, kommt es Kunstic an. Der Kontakt ist nicht spontan. Er ist reflektiert. Betrachter und Skulptur verweben sich in den Raum eines kommunikativen Netzes, einer Spirale von Wahrnehmungen.
„Meine Skulpturen sind Bilder. Sie sind Reliefs. Sie wachsen ins Dreidimensionale. Sie sind Oberfläche, gebrochene, gestufte, gewölbte Fläche, durchscheinende, zergliederte, zerteilte Oberfläche, die den Blick in das Innere durchlässt und ihn doch wieder freigibt“.
Kunstics Skulpturen sind immer dieser Kreis, eine Bewegung, die im Hineingehen auflöst, ein Verfließen von Historischem und Modernem, Mythischem und Maschinellem, Ruhendem und Sich-Bewegendem. Ein Prozeß der einbezieht und freisetzt. Diese Offenheit spiegelt sich in der Art und Weise, wie Kunstic sich mit Raum beschäftigt. Mit den Bändern setzt Kunstic die Auseinanderstzung mit dem Element Verpackung fort. Doch er verwendet Negativformen, die Verpackungen sind transparent. Kunstic produziert, ähnlich Fontana, der Leinwände aufreißt, eine aufgebrochene Äußerlichkeit, so wie die Bänder zugleich Verpackung sind mit allen Anspielungen und doch ihre eigene Form, ihren eigenen Raum besitzen.Einen Raum mit Kunstic-Energie: „ Ich kann nicht rasten, nicht stoppen. Ich möchte diese Freiheit, die mir gegeben wurde und die ich schaffe, so gut wie möglich nutzen“.
Kunstic hat mit seinen Bändern zu einem eigenen Stil gefunden. Bodenskulpturen, Wandskulpturen, Installationen. Und noch in diesem Jahr eine skulpturale Klanggeräusch- Inszenierung: In Fortsetzung der bereits in Köln gezeigten Flügel entwirft Kunstic Harfen, die sich im Wind bewegen. Im Wald aufgehängt, zwischen Bäumen. Oder in einer Fußgängerzone, zwischen Häuserzeilen. Eine leise, fast lyrische Arbeit, eine subtile, einfühlsame Reverenz an den existentiellen Klang. Wenn Mladen Kunstic jemand ist, der gerne fabuliert, mit einem Hang zum Philosophischen und Metaphysischen, so ist das Innehalten, das leise In-(Sich)-Hineinhorchen genau die Sprache, die seine Idee von Bewegung und Schwingung braucht. Kunstic hat seine Sprache gefunden.
Huldigung an den Klang
Prof.Dr.Wolfgang Becker Museumsdirektor Sammlung Ludwig Aachen
Katalogtext – Ausstellung Musikhochschule Köln 1989
In das Vokabular der Kunstbetrachtung sind viele Worte eingefügt, die von Musik handeln. Harmonien und Disharmonien, die wir hören, haben Verwandtschaft mit denen, die wir sehen. In der Skulptur kann diese Synästhesie soweit thematisiert sein, dass Skulpturen wie Musikinstrumente aussehen oder gar als solche verwendet werden können.
Klingende Skulpturen treten häufig dann auf, wenn eine Musikkultur erstarrt, wenn Sehnsüchte nach einer anderen Musik entstehen. Die Klänge der Skulpturen sind ausschweifend, anarchisch und künden ein Chaos an, in dem sich eine neue Ordnung entwickelt.
Mladen Kunstic ist kein Musiker, aber die Sehnsucht nach der anderen Musik hat ihm den wesentlichen Impuls zur Skulptur vermittelt. Einige Jahre war seine Klangphantasie von Metallen bestimmt (Object trouvé). Er sammelte metallene Gegenstände auf Schrottplätzen, schweisste Eisen auf Aluminium, Kupfer auf Stahl, Rohre auf Bleche, Wasserhähne auf Zahnräder und schuf seine aus der Bewegung resultierende Klang- Skulptur.
Ein künstlerischer Spieltrieb, der Assemblagen hervorbrachte, ging Hand in Hand mit einem erzählerischen Talent, dass zu jedem Detail eine Geschichte zu erfinden bereit war. Immer mehr wurden die Skulpturen zu Klang-Instrumenten, die nur auf den Besucher warteten, um ihn einzuladen, an ihnen zu kurbeln, zu klopfen, zu hämmern, zu ziehen und an Hebeln zu drücken um Klänge zu erzeugen.
In der Mitte des Wirbelsturmes herrscht vollkommene Stille: Kunstic schaffte es, inmitten des optischen und akustischen Lärms seines Ateliers, eine Skulptur zu entwickeln, die Ruhe ausstrahlt. Federstahl-Bänder-Skulpturen. Wer Federstahlbänder benutzt, arbeitet mit Spannung und jeder gespannte Gegenstand enthält Töne
Die Handhabung solcher Skulpturen als Klangkörper besteht nunmehr aus eher haptisch-zärtlichen Bewegungen, so sind auch die Klänge zierlich, lyrisch. In diesem leiseren Ambiente geht Kunstic mehr auf die Details der Skulpturen ein und die Ästhetik des Materials seiner neuen Skulpturen treibt ihn vom Schrottplatz weg.
Heute haben seine Skulpturen Holz,auch Objekt trouves als Kern,auf dem sich gespannte Federstahlbänder festschrauben lassen. Die Summierung festgeschraubter, gespannter Federstahlbänder verschiedener Länge schafft skulpturale Trauben. Bodenskulpturen werden zu spielerischen, utopischen Stadtlandschaften. Ein starker Wind, der durch diese komplexen Gebilde führe oder ein leichtes darüberstreichen der Finger, könnte sie zu äolischen Harfen machen und einen zarten, rauschenden Klang erzeugen.
Die nächsten Arbeiten von Kunstic werden Windskulpturen sein- eine Huldigung an den Klang.
Klingendes Metall im Stadtpark
Mladen Kunstic hängt in Aachen „Klangraumkompositionen“zwischen Bäume
Eckhard Hoog Aachener Volkszeitung 1991
Im Aachener Stadtpark rauschen nicht mehr nur die Blätter und dröppeln die Regentropfen, in
das naß-zugige Konzert der Natur-Musik stimmen jetzt Kunst-Klänge ein.Geklirr und Gerassel „ Was ist das?“, fragen sich die Spaziergänger und entdecken, wenn sie Glück haben, hoch oben in den Wipfeln einen kräften jungen Mann im „ Blaumann“. Mladen Kunstic heißt der Schwindelfreie Musensohn und das, was er in die Lüfte hängt, „Klangraumkompositionen“.
Kupfer- und Federstahlbänder, Stück für Stück parallel an Stahlseilen befestigt, schwingen sanft im Rhythmus der Windstöße. Himmel und Geäst spiegeln sich im blanken Metall. 16 Millimeter breit, 0,8 Millimeter stark ist das Band. Zum Verzurren von Kisten wird es gebraucht, besonders schweren Transportbehältern. Mladen Kunstic „ verhüllt“ damit die Landschaft-doch nur, um sie sichtbar zu machen. Bewegungen setzen sich in dem Gehänge wellenförmig fort, mit jeder Veränderung und jedem Standortwechsel wird der Blick freigegeben auf das Dahinterliegende, das sich mit dem streifigen Spiegelbild eigentümlich vermischt. Untermalt vom Klang aneinanderreibenden Metalls. So gerät das vor lauter Selbstverständlichkeit kaum mehr Wahrgenommene neu in den Blick. „ Wieder zeigen durch Transparenz“ heißt Kunstics Devise, „Klang und Bewegung ist Leben“ seine Philosophie. Die Objekte dieses Künstlers sprechen bei Ausstellungen immer wieder auch jenes Publikum an, dem Namen wie Tinguely und Duchamp so viel sagen wie Hinz und Kunz. Eine Einzelausstellung der Neuen Galerie- Sammlung Ludwig, hatte innerhalb von zwei Wochen 3000 Besucher. Zum Spiel einladende Klangskulpturen aus Schrott vermittelten damals das künstlerische Anliegen, im Zusammenhang von Klang und Bewegung, vergänglichem Material und seiner ästhetischen „ Umwidmung“ die ganz gemeine Alltäglichkeit der Gegenstände neu zu erfahren. Im buchstäblichen „ Begreifen“. Die Park –Installationen variieren das Thema Klang und Bewegung mit einem neuen plastischen Konzept: Die transparente Fläche definiert nicht nur den Raum, sondern nimmt im Wechselspiel mit den Kräften der Natur in wellenförmigen Wölbungen selbst Raum ein. Dabei korrespondiert das Objekt auf hintergründige Weise mit der Umgebung, beispielsweise wenn sich zwei „Klangraumkompositionen“ im Blick des Betrachters, der sich genau auf der Achse zwischen dem alten Friedhof und dem ehemaligen Standort eines Spitals befindet, zu einem Kreuz vereinigen.
Sieben solcher Werke sollen im Stadtpark ihre Zeit bis ins nächste Jahr überdauern,drei hängen bis jetzt. So oxydieren sie vor sich hin, bekommen damit einen immer neuen Klang und erwerben bei Wind und Wetter ihre eigene Geschichte.
Engagierte Förderer
Das Projekt des Künstlers, der in Zagreb geboren wurde, wurde trotz beschränkter Mittel von etlichen Ämtern der Aachener Stadtverwaltung, dem Oberbürgermeister und einigen Aachener und Stolberger Firmen, die sich mit „ Schwermetall“ befassen, mit viel Engagement unterstützt.
Machines sentimentales
Prof. Dr. Wolfgang Becker Museumsdirektor
Katalogtext-Ausstellung Sammlung Ludwig Januar1987
Das sind Skulpturen, die an Maschinen vergangener Tage erinnern, weil sie aus Teilen von Maschinen vergangener Tage bestehen und weil sie den Anschein erwecken, sie könnten über Handkurbeln und Treibriemen in Gang gesetzt werden. Wo es funktioniert, werden aus den maschinalen Skulpturen Klanginstrumente: Metaphern einer nostalgischen Poetisierung vergangener Industriekultur und handfeste Alternativen zu klassischen Musikinstrumenten zugleich.
Die französische Bezeichnung entleihe ich dem Titel einer Ausstellung des Centre Pompidou in Paris, die versucht mit Werken von 16 zeitgenössischen Künstlern die Summe einer Arbeit zu ziehen, die aus den 60 er Jahren in die Jetztzeit reicht. An das Ende dieser Summe schließt Mladen Kunstic an. Wesentliche Basis seiner Arbeit ist das Staunen vor den gewaltigen Schrotthaufen, die die moderne Zivilisation ansammelt und weiterwachsen lässt. Jedes Teil dieser Haufen erscheint im Augenblick sinnlos, einem ursprünglichen Zusammenhang entrissen, und indem es neue Sinnzusammenhänge suggeriert, macht es strenge Vorgaben, die seinen alten Zweckverbund verraten.
Kunstic sammelt Metallschrott, Fundstücke, im kunsthistorischen auch Object trouve´ genannt, weil der Vorgang die Fragmente zu neuen Figurationen zusammenzufügen, eine handfeste Arbeit ist. Kunstics Bestreben ist Fragmente so zusammen zu schweißen, dass sie klingen, wenn er sie berührt. Das sind sozusagen die feinsten seiner Skulpturen, die wie Harfen oder Zittern auf die Berührungen der Finger reagieren. Ihnen versucht er, auch im Erscheinungsbild eine vegetale Schönheit mitzugeben. Ihnen stehen die gleichsam vulgär-komischen Monstren gegenüber, die man durch Handkurbeln in Bewegung setzen kann, worauf sie harte oder weiche Töne hervorbringen.
In der skizzierten Dialektik schreitet Kunstic den Grenzbereich seiner Arbeit aus. Er bekennt sich zu dem Dilemma, das auch den anderen Künstlern vor Augen stand: eine Skulptur zu schaffen, die gleichzeitig ein Instrument ist. Das Material, das er auf Schrottplätzen findet, ist voller skulpturaler Elemente, aber ohne Klang.
Vielleicht spreche ich hier aber auch von Wunschvorstellungen, die sich in Gesprächen formuliert haben: dass mit Hilfe einer Reihe dieser Unsinnsmaschinen die Erzeugung von Klängen möglich wäre, die in einen größeren musikalischen Zusammenhang eintreten würden. Wer so weiter denkt, versteht, dass die Skulpturen von Kunstic eigentlich Puppen sind, die singen können, Automaten, Phonographen, Gegenstände aus dem Arsenal der europäischen Romantik: machines sentimentales.
Mladen Kunstic – On the Way...
Rezession von Dr. Christine Vogt Kunsthistorikerin
Mladen Kunstic is a sculptor, sound artist, painter, illustrator and collagist. All of his abilities – emerging more or less to the fore at different times, sometimes pointing in the one, sometimes in the other direction – are lived out in his art.
In early work his point of departure is sculpture. Large, massively powerful, often machine-like structures created out of rusty steel, demanding that the viewer touch them and enter into dialogue with them. A great many different sounds ranging from soft to very loud can be teased out of the sculptures when the viewer interacts with them: by pulling, tugging, or moving them this way and that. Kunstic creates these sound sculptures from objects he has come upon, the so-called objets trouvés. By assembling discarded objects and scrap metal, the artist creates new objects which, in their rusty bulk, are given a new acoustic life.
In the early nineties, Kunstic changed his material and began to create sculptures from spring steel. Now using a material more valuable, and shaping it in a more closely defined way, this was his revisit to the true meaning of sculpture. Sound still plays a central role, but now it is nature rather than people triggering sound. In a range of different projects, Kunstic exhibits his mostly large-scale objects in a natural setting, seeking new dimensions for his sculpture. Featuring more importantly than in earlier work are the ideas of coincidence and time. The blank surface of the spring steel reflects natural light and shadow and the colours of the natural world around it. The artist steps into the background and leaves the shaping to nature. The wind is instrumental in achieving an infinite variation of light and colour.
Painting
The mid-nineties see Mladen Kunstic, ever versatile and keen to experiment, redirecting his energies by taking up a fresh challenge and learning new principles of composition: the sculptor turns to painting. Unlike many other artists who have started as painters and then turned to sculpture, Kunstic does the reverse. His great curiosity in all kinds of different themes and directions was already evident in his early sculptures. However, through painting, even greater possibilities of self-expression seem to beckon. His work in hard and brittle steel now abandoned, he takes on this new art form with patience and persistence. Mladen Kunstic might be regarded as something of an outsider in the art world, someone motivated to do things in his own way. Originally an electrician, he went to night school to gain his university entrance qualification to study art and social sciences at the University of Aachen. He still has a preference for things he finds or encounters along the way, integrating them in an innovative way into his art. „Horror vacui“ (the fear of emptiness) and, more especially for Kunstic, fear of an empty canvas, prompted him to paint over his canvases before starting his actual works. In that sense, his paintings can also be regarded as collages and thus explode the conventions of the narrow categorisation of works of art.
Kunstic „collects“ art and auction catalogues, computer manuals, Bible fragments, instructions of games from the Middle Ages and sheet music. Following a principle of „guided coincidence“, he integrates these items into his work. This is coincidence in the sense that the pages he uses are by coincidence part of the objects he finds, and guided in the sense that he, as artist, chooses and arranges the objects. The throwaway articles of our modern industrial society, such as auction catalogues and computer manuals, items which quickly become out-of-date, inform his paintings with a special sense of time. Used as a backdrop to his works, they are allowed to escape the throwaway society and are given a new kind of permanence. Analogous to the 17th century Dutch painters, who, by painting a briefly existing soap bubble, ensured the continuation of its existence into the centuries, thus releasing it from its transient nature, Kunstic also uses painting as a means of providing new impulses for thinking in this direction. Kunstic’s work critically examines the ephemeral nature of our fast-moving society and, by extension, our art, expressed, for example, by his preference for using the exhibition catalogue „Art Cologne“. Today’s great works of modern art are quickly forgotten and end on the scrapheap of culture.
A cursory look at Mladen Kunstic‘s art will fail to reveal its hidden and multi-layered content. To be grasped, his work requires closer inspection. The artist overpaints the canvasses, which in terms of significance are the provide the foundation of his work. He repaints and overlays them, thereby alienating their appearance, making it more difficult to read them, stripping off their independence and inherent value. Yet they remain present in his painting, in their colours and shapes.
After the long and sometimes difficult selection of the „ground“, Kunstic proceeds similarly in selecting his theme. Here again he uses objets trouvés from the ever-growing flood of images, and plays with the imagination and the knowledge of his viewer. His playful side already revealed itself in his early sound sculptures. This he transferred into his painting in an easy and individual way. When writing about Kunstic‘s sculptures, Dr. Gabriele Uelsberg once quoted Antoni Tapiés: „Art is like a game; only in the state of innocence do we perceive its deeper meaning, and who is to say if this is not valid for everything human.“
This playful approach opens the way for the viewer to find his own way of reading the works, always keeping the matter of interpretation open. While often having a particular idea in relation to his work, the artist wishes to open up his work to every kind of interpretation. For „Die Sieger“ (The Victors) his chosen model is a photo of a group of men from the sixties. The photo shows a group of workers. In a winner‘s pose, two of the four are lifting their arms. Various aspects of this painting might lead the observer into the topic of workers and politics. The glasses could be interpreted as safety goggles, the hairstyle of the central figure referring to contemporary fashion, and the portrait of Willy Brandt on the left of the painting might be construed to have a political meaning. A cursory glance might lead the viewer to see the glasses as diving goggles and the group of men as a swimming club.
What creates the excitement is how Kunstic combines this first layer and the painting on top it into a unified whole. The icons – such as the Brandt portrait or the emphasis on art through the lettering Die Art (on the right in the painting) remain. Figures appear merely as contours, ensuring that the first layer remains visible. Attention is also given to the structure of the first layer and its colour. As in Sieger (Victors), the background often forms a grid composed of the right-angles of the catalogue pages, or a horizontal structure emerges, as happens when sheet music is used. Individual fragments of the background can also be interpreted as design elements, such as the target, which can be seen here as „armpit hairs“. This reveals a characteristic quite typical and quintessential for Kunstic: in the face of all possible interpretations of the content, he maintains a humouristic „clin d’oeil“.
The artist’s sense of humour is also evident in the titles he finds for his works, titles which for him are essential to the work while also revealing love of wordplay. One example is the title Frauchen (Mistress), the artist‘s interpretation of what is most probably the most well-known picture of Marilyn Monroe, a still from the film The Seven-Year Itch. The artist plays on the fact that the viewer is most probably able to identify the original, by placing the well-known sex icon of the fifties and sixties at the feet of a dog lying on its back and begging to be stroked. The film star remains apparently unperturbed by the presence of the canine, whose position allows him a direct view up the starlet‘s dress, the picture thus achieving its effect by playing on the viewer’s sense of desire. Here again, well known works of art – themselves also icons in our collective memory of images – for the basis of the painting. The lettering „Die Art“ (The Kind) interrupts the line of the low horizon.
The dog and the contour of figures from the history of art likewise confront the viewer in other works. In the work entitled Wartespiele (Waiting Games) the demimondaines of Henri Toulouse-Lautrec observe the medieval ruler playing chess while they wait for their next clients. Together with Picasso‘s thinking yet despairing figure, the Embryo of Leonardo da Vinci forms an intersection. In these works, in which he firmly remains faithful to the figure as means of compositional element, Kunstic achieves a reconfiguration of things.
After his years of sculpture, Mladen Kunstic began to see painting as the possibility of going down new roads, while at the same time not forgetting his former interests and preferences. Paintings such as Buchblumen (Book Flowers), Gartenmusik (Garden Music) and Notenblätter (Music Sheets) underline again and again the artist’s great love of music, itself overlaid by his love of nature, here figuratively represented by leaf and blossom. A further feature, already present in the works discussed so far, also becomes clearly apparent: the scrutiny of the sequence. The blooms and leaves return eternally. Both the background to his compositions – especially in the case of the music – and the floral element, show a sense of sequence. In the composition, blooms and leaves, sometimes differentiated between only by colour, are added, occasionally taking on an ornamental density. „Sound“ is features largely in these works.
Manufactus Edition 1000
While Kunstic’s large format work started with a concentration on sculpture and turned subsequently to painting, since 1989 he has continued to direct his attention to a small format style, which might be described as graphic collage. Here again, his work belies the conventional categories. The influence of his sculpture is particularly apparent in the earlier works, later giving way to a much more pronounced pictorial direction. The chronologically arranged series mirrors his changing artistic focus.
Stehkreuz (Crucifix) (1989) shows an exemplary proximity to sculpture. Not only in terms of the materials he uses – paper and metal – is the artist pointing to the duality between graphic art and sculpture, insisting that his object is transformable from one to the other: the crucifix is not bound by two-dimensional graphic art, but is accessible to the three dimensionality of sculpture.
The idea of the Jahresgabe (Annual Gift) motivated Mladen Kunstic to these works. It was he who entitled the series Manufactus Edition, meaning hand-made, and sees them both as connected and as individual pieces. Here the artist is taking the time at the turn of the year to reflect upon what has happened and to express this artistically. Which topics are touched upon remains completely subjective, often even extremely personal. He chooses that which occupies him, and the banal is by no means to be excluded. The viewer is left either to follow the artist, or to follow his own thoughts, interpretations and ideas. The titles which Kunstic carefully selects, sometimes in an almost philosophical way, may be pointing in the right direction, but may even point away from the right direction. In whichever way the viewer’s interpretation may lead him, for him or her it will be the right one.
Bahnübergang (Level Crossing) is the title of the blue crucifix, which the addition of a strip of spring steel turns into a cross with two horizontals, which allows associations about the connectedness of cultures. This form is reminiscent of the Russian crucifix, whereas Bahnübergang (Railway Crossing) brings to mind the occidental cross of St. Andrew. The artist, born in Zagreb, when the Croatian town was part of the former Yugoslavia, is the initiator of this transition between two cultures. Zwei-Heit (Two-Ness), also taking duality and the belonging together of contrasts as its themes, focuses on such pairs as metal and paper, sculpture and graphic art, wholes and sections, colour and whiteness, a list which might be extended far into our social-cultural space. His Heimat (Homeland) demonstrates Kunstic‘s wish for interpretation also to enter the social domain. Using frottage, two red hearts are transferred onto the smooth paper surface and show the two hearts of the artist. With the red and unconsumed heart symbolising his adopted German homeland, the white Croat heart reveals the projectile which has transpersed it. The war which so long raged in his homeland, is rendered visible and brought emotionally close in this painting. As theme from the old year, Zwei-Heit also appears to refer anew to Heimat.
These Editions have given Mladen Kunstic the opportunity to express himself using a very wide range of different techniques. Reductionist in terms of both colour and form, Vorhang (Curtain) is seen as a „truncated picture“. Das neue Haus (The New House) is the first work in this Edition to show a special preference of Kunstic‘s for using stamps. Stamps have an extremely long tradition in the history of art. They offer for the first time the possibility, for example, of pattern repeats. They are the start of the development of woodcuts in the 15th century, and in Asian lands they are used as name stamps and signatures. In our society, they are a symbol of power, usually bureaucratic power, frequently proclaiming what purports to be the truth and drawing our attention to rules and regulations. The stamps used by Kunstic are sometimes objets trouvés, sometimes redundant stamps from offices, or just sometimes leftover items, which, in his art, now find new opportunities to transport their messages. In other instances, according to his theme and requirements, the artist simply has them made. The affairs of the das neue Haus are thus stamped approved by the workers‘ council, while the switchboard is identified by the unequivocal fingerprint. Alongside such personal matters such as moving house or being injured – Kreuzfinger (Crossfinger) – which thus become quite special personal matters, themes to do with global politics, such as Hunger or Kampf der Kulturen (Struggle of the Cultures) also find a space.
Starting in 1997, the increasing use of colour in the work of Kunstic announces itself in the blue, red and yellow triad of the elementary colours, which the artist first applies to the smooth paper surface and then once again roughly removes using a knife, and which lends a special quality to the composition. Likewise open to various interpretations is the „photocopied redundancy notice“ which here marks a Beginn (for Kunstic the start of his work as a painter). This is followed in the following year by the execution of this theme Netzwerk (Network) in a red/blue elementary colour contrast. Here again the artistic use of paint, worked on again with the knife, is combined with the form of the collage through the introduction of a fabric net, serving perhaps as a framework on which to hang our thoughts.
More personal and romantic in character is the work Frankreich (France) created after a stay in that neighbouring country. Observers are reminded of their own personal recollections of France and the French national colours through the cut composition of the picture and the tricolour. And who thinks of Paris and not of love?
The work which plays hardest with the rules of painting is Reminder, although interpretation of the content of this work may extend into quite distinct areas. Kunstic starts by laying down the red/green complementary contrast on the paper, in the extended form of point and line. The broadness of the brush calls our attention to the surface, thus achieving an assembly of the essential compositional features in which things are kept to a minimum. The stamp is included as a genuine reminder, inviting us to „Bleib’ hier!“ (Stay here!) It is, perhaps, an unconscious invitation extended by the artist to himself to remain with the style of painting he newly discovered in 1997.
At the same time, in composing other works included in the Edition, Kunstic reduces painting to a minimum, as in Don‘t forget! (2002). Here his look back at the year is dominated by the shocking experience of the destruction of the twin towers of the World Trade Center in New York and the death of all the many thousands of people who perished on 9/11. Two long, horizontally-positioned stamps symbolise the towers, while other stamps announce the absurdity of the must-be-insured mentality of modern man. The base of the towers is represented by „Bestätigung“ (Confirmation) and „Kasse bitte zahlen“ (Please pay) stamps. The term „Erloschen“ (Expired) is a reference to the incredible scale of this terrorist attack. The invitation of the artist, Don’t forget!, is meant to be taken literally by the viewer.
Highly complex objects born of the consumer society like the Eckenschutz (Corner protection) are used by Kunstic as a kind of ready-made art. Unfolding the cardboard produces a picture with encoded messages („30 x 40“, „b+h“) containing their own sculptural and ästhetic effect. From another objet trouvé, a hymn book, Kunstic has extracted the page containing the Agnus Dei. Large red stamps enclose the hymns bearing the message „sofort vorzulegen“ (to be presented immediately). The stamped sequence of the working days of the week in the work Days warns us to be careful („Vorsicht“) on Wednesday.
Kunstic discovered a new working technique for his work Homosapiens (2005). Two feet (or footprints) merge, ending in spirals. They are cut into the paper, a technique not normally used with paper. This removal of the contour creates a special ästhetic effect and shows how ready Kunstic is to experiment with techniques in order to find new creative potential.
For the time being, Homosapiens is the final page in the cycle. This will not remain so, for through Manufactus Edition, the artist is pursuing a long-term ambition. In each following year, the series will be complemented by the addition of a further work. Kunstic envisages the addition of a new work each year so that at the end of his Way (i.e. life), the Edition will bear testimony to his life as an artist, thus juxtaposing the idea of timelessness of art with the transience of mortal existence.
Manufactus Edition 71
In a second series, the Manufactus Edition 71, Kunstic continues to direct his energies to the reduced format. The possibilities which resonated in Jahresgaben are revisited here and probed further. The limited edition of 71 multiples is referred to in the title. Kunstic himself describes the works as a kind of creative reservoir, enabling him to realise what comes into his mind when painting in large format and for which he seeks a form of expression other than painting. Many of the pages show political, contemporary and socially critical elements, from which, quite characteristically, humour is not excluded.
In these works on paper, frottage, stamps, and also collage play a major role. Frottage is used in Brain book to create a cross-shaped element on the paper, while the stamps insist that „BÜCHER Bleibt hier!“ (Stay here, BOOKS!) a demand only discernible among the compositional elements after a second, closer look. Likewise in Brain storm, frottage is applied to the two crossed strips, seen as a large braid, but which, on the microstructure level, are crystalline. Here Kunstic‘s works do full justice to the tolerant graphic medium, where in the small elements a distinct composition, and thus also a level of meaning, become apparent. The crystalline shapes, showing truly amazing variation, point simultaneously both to the infinite invention of nature and to the convolutions of the brain itself (the „Brain storm“ of the title). In the macro composition, the stamps soberly announce „Zweitschrift Bücher Bezahlt“ (Book copies paid).
Kunstic‘s serious and contemplative side resurfaces in Bildschmuck (Picture Decoration), a collage of death notices covered in stamps demanding order numbers and remittances, and placed in the form of a cross. The title „Was bleibt“ (What remains) is a reflective work, making reference both to the transience of life and the immortality of the bureaucratic files.
In several instances, the artist, by stamping his own name, includes himself in the work, the stamp thus becoming a Selbstporträt (Self-portrait). As in „Kunstic Kreuz“ (Kunstic Cross) this can also be used together with the forms used in other works: the background composition recurs in a number of other works and the artist has also used the circle inside a square stamp in „Bullaugen“ (Bull‘s eye). Yet also in the skyline of Munich featuring the two characteristic towers of the Frauenkirche is Kunstics Selbstporträt present. In „One Way“ he becomes entangled in the closed circle of his stamped identity, and the stamp placed centrally in „Entgelt zahlt Empfänger“ (Receiver to pay) informs us of the link between art and business. Again tapping into his sense of humour, Kunstic shows himself in the second work with a Munich backdrop as „Säule der Gesellschaft“ (Pillar of Society) reposing on three somewhat shaky columns.
In „1. Februar“ (February 1st) Kunstic includes a sheet from a hymn book he has chanced upon, framing it with his name stamp, and in the middle gives a warning about literature and letters and refers in the duality to process: Auf EDV übernommen Dat. 01. Feb. (Recorded on computer, dated Feb. 1). This is a reference to the imminent loss of haptic knowledge and information material (books, newspapers, letters) and the begin of a new era of electronic media.
We experience the artist in romantic vein in Manufactus Edition 71 in various flower paintings and „Aachen wa!“ (This is Aachen!) which takes the artist‘s love of his adopted town of residence as its theme. In „Aachener Dom“ (Aachen Cathedral) he introduces a new technique by sealing the icon of Aachen onto the paper using red gloss. He uses a chocolate wrapper from a well-known sweets manufacturer from Aachen. In old German lettering we read the name „Deutsche“ with a neutral stamp „Päckchen Paquet“ (Parcel). Kunstic opens a door through which the observer’s mind can wander.
„Europa Grenze“ (Europe Border) is a work of social criticism in which the small crucifix reminds us of the many victims claimed by this still „open border“ down the years. In „Erinnerung“ (RemDie Klang-Skulpturen des Mladen Kunstic
Musiker Friedel Gersmann Veröfentlichung im Klenkes Aachen 1989
Musik im gebräuchlichen Sinne des Wortes ist eine besondere Organisationsweise- oder wie der Mathematiker sagt: ein Sonderfall von Klang. Das Besondere dabei liegt im Festlegen, im Eingrenzen von z.B. Tonhöhe, Rhythmus, Instrumentation, Klanggestalten; das Eingrenzen, gleichzeitig ein Aussondern, ermöglicht es unserem Hören, einem schlichten Saxophonton etwa eine eigene Qualität zu geben, unlösbar mit dem Wiedererkennen verknüpft: Aha, ein Saxophon; daran hängt meistens eine Empfindung, die Mögen und Nicht-Mögen, Bilder, Gefühle, Erinnerungen, Erwartungen auslöst.
Darin, in den Bedeutungen, die wir bereits einem einzelnen Ton a priori geben, die wir ausweiten in formelhaften Fixierungen von Dreiklangsfolgen, Metren, Rhythmen, musikalischen Formen, liegen auch Beschränkungen der Ausdrucksmöglichkeiten: Das Eingrenzen ermöglicht zwar wiedererkennbare Bedeutungen, aber das Wiedererkennen erschöpft den direkten, unmittelbaren Ausdruck und verwandelt ihn in eine Bestätigung des schon Bekannten. Diese Beschränkung nehmen viele Klangschaffende zunehmend als zu eng wahr. Es gibt, so lautet der Gedankengang, eine Reihe von neuen Qualitäten und Intensitäten, die sich mit den alten Klangmitteln nicht mehr nachvollziehen lassen. Als ein Beispiel für die Suche nach neuen, intensiven Möglichkeiten musikalischen Ausdrucks sei die Musik von John Cage genannt.
Seinen und zahllosen anderen Versuchen ist eigen, dass sie keine vorgefasste Bedeutung ausdrücken; Bedeutung geben wir ihnen, indem wir uns auf sie einlassen, eine Verbindung mit ihnen eingehen, sie als Ausdruck von etwas nur erst Latentem in uns erkennen.
Hier stehen und entstehen die Klang-Skulpturen des in Würselen lebenden Künstlers Mladen Kunstic: Sie sind (sofern ausgestellt) frei zugängliche, inhaltlich unfixierte Klanginstrumente, die jede beliebige Kommunikationsform ermöglichen, Raum-Formen, die sich durch Bewegung erschließen.Bewegung steckt latent in der Spannung, in die Kunstic den Stahl versetzt; sie wird ausgelöst durch die Bewegungen Anfassen, Streichen, Schlagen, Blasen, Hören und korrespondiert mit der klingenden Bewegung der federnden Stahlbänder und der Schwingung der Metall- und Holzkörper. Bewegung kommt auch zum Ausdruck im nur allmählich wahrnehmbaren Korrosionszerfall der unkonservierten Metalle: Bewegung ist es, die das Erleben der Skulpturen ermöglicht und Latentes verwirklicht. Leben, sagt Mladen Kunstic, ist Bewegung und jede Bewegung ist Klang; durch Bewegung erlebt man den Klang der Bewegung und nimmt wahr, dass das Leben und die Intensität der Bewegung das Ganze bilden.
Mitbedingend für den Zuspruch, mit dem seine Skulpturen aufgenommen werden, dürfte sein, dass sie nicht allein Objekte der ästhetischen Betrachtung sind, sondern gespielt werden sollen und dazu robust, bizarr, unprätentiös und offen einladen. Sein schönster Moment, so Mladen Kunstic, sei der, in dem er das glückliche, kindliche Lächeln des aus seiner Betrachterrolle gelösten Spielenden sieht.
Schwer fällt es nicht, glücklich zu lächeln, wenn man beginnt, die Möglichkeiten des „ Dirigenten“, eines unter klanglichem Aspekt besonders gelungenen Beispieles zu erkunden: die senkrecht zwischen Stahlbänder befestigten und auf einem schweren, schaukelnden Sockel montierten Eisenstäbe stehen ganz dicht im Halbkreis beieinander und beginnen bei sparsamstem Bewegungsanreiz miteinander zu vibrieren. Durch Streichen, Zupfen, Dämpfen usw. entsteht ein unerhörtes Spektrum sich immerfort verlagernder, phantastischer Klänge. Kunstics Werke, hier vom Musikalischen her aufgefasst, lassen sehr verschiedene Annäherungen zu. Tatsächlich integrieren sie musikalische, bildhauerische, malerische, philosophische, geistige, spielerische Aspekte zu einem Ganzen, das die Wahrnehmung spielender-, hörender-, sehender-, fühlender- , denkenderweise auf sich zieht. Liegt darin nicht schon das Wirklichwerden von etwas Latentem?embrance) we see seals of the „European vulture“ in the shape of 10 Deutschmarks mounted on the blacked-over paper. Can we look ahead to a Europe of the people, where we can live against a background of social and cultural equality and justice, or a Europe of the „European vulture“?
In his most recent works, Kunstic has placed importance on reflecting on German history. Old postage stamps figure prominently among the objets trouvés used in this endeavour. „Spurbreite“ (Trackwidth) thus features a stamp showing the head of Adolf Hitler together with the Reichsbahn stamp, prompting a reflection, sixty years after the end of the Second World War, on the Third Reich.
The „Brandenburger Tor“ (Brandenburg Gate), also represented by an historic postage stamp and crowned by the opening cross, suggests references to Germany’s recent past, such as the fall of the Berlin Wall and the reunification of the two Germanies. At the same time, the cross can be read as symbolic of Christianity and Pope John Paul II‘s active support in this political process. The historic walk through the Brandenburg Gate in 1996 by the Pope and Helmut Kohl, the chancellor of the day, is seen as a symbolic gesture for the power of freedom and peace. As a born Croat, the removal of the Berlin Wall and the end of communism has a special significance for Kunstic. Yet the fascist disease which forms the background to this work also functions as a reminder of a different past, which actually culminated in the building of the wall in the first place, and which must never be allowed to return.
In his works, Mladen Kunstic is revealed as an extremely versatile and impressively creative artist. Not only on the level of technique and artistic media does he insistently seek out new modes of expression and creative challenges, but also shows an astonishingly broad thematic range. Social and political themes are placed alongside more romantic and whimsical works, clins d’oeil and irony alongside seriousness and compassion. His Manufactus Editions have opened up a special space for the realisation of his ideas and to show the world his themes.
This dynamic path will also provide much room for new forms of artistic expression in the future.
Die Klang-Skulpturen des Mladen Kunstic
Musiker Friedel Gersmann Veröfentlichung im Klenkes Aachen 1989
Musik im gebräuchlichen Sinne des Wortes ist eine besondere Organisationsweise- oder wie der Mathematiker sagt: ein Sonderfall von Klang. Das Besondere dabei liegt im Festlegen, im Eingrenzen von z.B. Tonhöhe, Rhythmus, Instrumentation, Klanggestalten; das Eingrenzen, gleichzeitig ein Aussondern, ermöglicht es unserem Hören, einem schlichten Saxophonton etwa eine eigene Qualität zu geben, unlösbar mit dem Wiedererkennen verknüpft: Aha, ein Saxophon; daran hängt meistens eine Empfindung, die Mögen und Nicht-Mögen, Bilder, Gefühle, Erinnerungen, Erwartungen auslöst.
Darin, in den Bedeutungen, die wir bereits einem einzelnen Ton a priori geben, die wir ausweiten in formelhaften Fixierungen von Dreiklangsfolgen, Metren, Rhythmen, musikalischen Formen, liegen auch Beschränkungen der Ausdrucksmöglichkeiten: Das Eingrenzen ermöglicht zwar wiedererkennbare Bedeutungen, aber das Wiedererkennen erschöpft den direkten, unmittelbaren Ausdruck und verwandelt ihn in eine Bestätigung des schon Bekannten. Diese Beschränkung nehmen viele Klangschaffende zunehmend als zu eng wahr. Es gibt, so lautet der Gedankengang, eine Reihe von neuen Qualitäten und Intensitäten, die sich mit den alten Klangmitteln nicht mehr nachvollziehen lassen. Als ein Beispiel für die Suche nach neuen, intensiven Möglichkeiten musikalischen Ausdrucks sei die Musik von John Cage genannt.
Seinen und zahllosen anderen Versuchen ist eigen, dass sie keine vorgefasste Bedeutung ausdrücken; Bedeutung geben wir ihnen, indem wir uns auf sie einlassen, eine Verbindung mit ihnen eingehen, sie als Ausdruck von etwas nur erst Latentem in uns erkennen.
Hier stehen und entstehen die Klang-Skulpturen des in Würselen lebenden Künstlers Mladen Kunstic: Sie sind (sofern ausgestellt) frei zugängliche, inhaltlich unfixierte Klanginstrumente, die jede beliebige Kommunikationsform ermöglichen, Raum-Formen, die sich durch Bewegung erschließen.Bewegung steckt latent in der Spannung, in die Kunstic den Stahl versetzt; sie wird ausgelöst durch die Bewegungen Anfassen, Streichen, Schlagen, Blasen, Hören und korrespondiert mit der klingenden Bewegung der federnden Stahlbänder und der Schwingung der Metall- und Holzkörper. Bewegung kommt auch zum Ausdruck im nur allmählich wahrnehmbaren Korrosionszerfall der unkonservierten Metalle: Bewegung ist es, die das Erleben der Skulpturen ermöglicht und Latentes verwirklicht. Leben, sagt Mladen Kunstic, ist Bewegung und jede Bewegung ist Klang; durch Bewegung erlebt man den Klang der Bewegung und nimmt wahr, dass das Leben und die Intensität der Bewegung das Ganze bilden.
Mitbedingend für den Zuspruch, mit dem seine Skulpturen aufgenommen werden, dürfte sein, dass sie nicht allein Objekte der ästhetischen Betrachtung sind, sondern gespielt werden sollen und dazu robust, bizarr, unprätentiös und offen einladen. Sein schönster Moment, so Mladen Kunstic, sei der, in dem er das glückliche, kindliche Lächeln des aus seiner Betrachterrolle gelösten Spielenden sieht.
Schwer fällt es nicht, glücklich zu lächeln, wenn man beginnt, die Möglichkeiten des „ Dirigenten“, eines unter klanglichem Aspekt besonders gelungenen Beispieles zu erkunden: die senkrecht zwischen Stahlbänder befestigten und auf einem schweren, schaukelnden Sockel montierten Eisenstäbe stehen ganz dicht im Halbkreis beieinander und beginnen bei sparsamstem Bewegungsanreiz miteinander zu vibrieren. Durch Streichen, Zupfen, Dämpfen usw. entsteht ein unerhörtes Spektrum sich immerfort verlagernder, phantastischer Klänge. Kunstics Werke, hier vom Musikalischen her aufgefasst, lassen sehr verschiedene Annäherungen zu. Tatsächlich integrieren sie musikalische, bildhauerische, malerische, philosophische, geistige, spielerische Aspekte zu einem Ganzen, das die Wahrnehmung spielender-, hörender-, sehender-, fühlender- , denkenderweise auf sich zieht. Liegt darin nicht schon das Wirklichwerden von etwas Latentem?
Mladen Kunstic – auf dem Weg…
Text Dr.Christine Vogt
Kunsthistorikerin Suermondt Ludwig Museum Aachen 2005
Mladen Kunstic ist Bildhauer, Klangkünstler, Maler, Zeichner und Collagist. Alle diese Fähigkeiten – mal mehr, mal weniger hervorstechend, mal in die eine, mal in die andere Richtung weisend – lebt er in seiner Kunst.
In seinen frühen Arbeiten geht er dabei von der Skulptur aus. Große, mächtige und massige, oft maschinenartige Gebilde aus rostigem Stahl entstehen, die den Betrachter zu Berührung und Dialog auffordern. Durch Ziehen, Zerren, hoch und herunter Bewegen, durch die eigene Mitwirkung werden den Arbeiten Töne, von sanft bis zum Getöse, entlockt. Aus Fundstücken, den sogenannten Objects trouvés, setzt Kunstic die Klangskulpturen zusammen. Weggeworfene Gegenstände, auf den Schrott gebrachte Teile werden von ihm zu neuen Objekten zusammengesetzt, die nun in ihrer sperrigen Rostigkeit neu erklingen.
Anfang der 1990er Jahre verändert Kunstic sein Material und schafft Skulpturen aus Federstahl. Nun mit edlerem Material und klareren Formen, setzt er sich neu mit dem Begriff der Bildhauerei auseinander. Immer noch spielt der Klang eine zentrale Rolle. Doch bringt nun nicht mehr der Mensch die Kunstwerke zum Klingen, sondern die Natur. In verschiedenen Projekten stellt Kunstic seine meist großformatigen Werke in der Natur aus und gibt ihnen dadurch eine neue Dimension. Zufall und Zeit spielen hier eine größere Rolle als bei früheren Arbeiten. Die blanke Oberfläche der Federstahlbänder wird von der Natur durch Licht und Schatten und die Farbigkeit der umgebenden Vegetation modelliert, der Künstler tritt zurück, die Natur als Gestalterin tritt hinzu. Durch den Wind wird nicht nur der Klang, sondern auch in einem nicht endenden Variationsreichtum das Spiel von Licht und Farbe verändert.
Malerei
Wandlungsfähig und experimentierfreudig wendet Mladen Kunstic sich Mitte der 1990er Jahre von diesem für ihn nun schon in weiten Teilen gegangenen Weg ab, einer neuen Herausforderung, einem neuen Gestaltungsprinzip zu: Der Bildhauer wird zum Maler. Während zahlreiche andere Künstler zunächst in der Malerei arbeiten und dann zur Skulptur kommen, geht Kunstic den umgekehrten Weg. Sein breit gefächertes Interesse an unterschiedlichen Themen und Richtungen hatte sich schon deutlich bei den Skulpturen gezeigt, doch bietet die Malerei nun noch weitere und neue Ausdrucksmöglichkeiten. Weg vom harten und spröden Stahl, tastet sich Kunstic langsam und beharrlich an die neue Gattung heran. Der im Grundsatz als Outsider zu sehende Künstler, der nach einer Elektrolehre am Abendgymnasium das Abitur nachholte und anschließend an der RWTH Aachen Kunst und Sozialwissenschaften studierte, arbeitet sich zielstrebig und eigenwillig in das neue Gebiet ein. Dabei behält er seine Vorlieben für gefundene und vorgefundene Dinge bei und arbeitet diese in nun ganz neuer Art und Weise in seine Arbeiten ein. Der „horror vacui“, die Angst vor der Leere und hier wohl besonders vor der leeren Leinwand, brachte Kunstic dazu, seine Leinwände vor dem eigentlichen Malvorgang zu bedecken und zu gestalten. So sind seine Gemälde immer zugleich auch Collagen und sprengen in ihrer Eigenwilligkeit den angestammten Gattungsbegriff.
Kunstic findet Kunst- und Auktionskataloge, Computeranleitungen und Bibelfragmente, mittelalterliche Spielanleitungen und Notenblätter. Diese bringt er nach dem Prinzip des gesteuerten Zufalls – Zufall, dass gerade diese Seiten in den Fundobjekten vorhanden sind – gesteuert, da die Wahl und Anordnung durch den Künstler geschieht – in seine Werke ein. Die schnelllebigen Produkte der Industriegesellschaft (Auktionskataloge, Computerbetriebsanleitungen etc.) - heute aktuell, morgen veraltet - bringen eine besondere Art der Zeitigkeit in seine Malerei. Als Untergrund werden sie dem Kreislauf der Wegwerfgesellschaft entrissen und in eine – wenn auch umgedeutete – Dauerhaftigkeit überführt. Wie die niederländische Malerei des 17. Jahrhunderts in der Einstellung der Zeitgenossen die nur wenige Sekunden real existierende Seifenblase für Jahrhunderte auf die Leinwand bannte und somit die Vanitas, die Vergänglichkeit aufheben kann, nutzt auch Kunstic die Möglichkeit der Malerei, um einen neuen Denkanstoß in diese Richtung zu geben. Die Schnelllebigkeit unserer Gesellschaft wird beleuchtet, die Schnelllebigkeit der Kunst – besonders bei dem von ihm mit Vorliebe verwendeten Messekatalog der Art Cologne – wird kritisch betrachtet. Heute noch ein großes Werk der modernen Kunst, morgen schon in Vergessenheit geraten und mitsamt dem Hochglanzkatalog auf dem Müllberg der Kulturen gelandet.
Doch werden die untergründigen und vielschichtigen Inhalte der Malerei Mladen Kunstics nicht auf den ersten Blick, sondern nur bei näherer Betrachtung deutlich. Der Künstler übermalt seine Träger, die auch auf der Bedeutungsebene die Grundlage für sein Tun bilden. Er übermalt und überdeckt sie, verfremdet dadurch ihr Bild, erschwert ihre Lesbarkeit, enthebt sie der Eigenständigkeit und des Eigenwertes. Doch bleiben sie immer in seiner Malerei präsent, in ihren Farben wie ihren Formen.
Nach der langen und manchmal schwierigen Auswahl des „Untergrundes“ verfährt Kunstic bei der Wahl des Bildthemas ähnlich. Auch hier verwendet er Fundstücke aus der immer weiter anwachsenden Flut der Bilderwelt und spielt mit der Imagination und der Kenntnis des jeweiligen Betrachters. Schon bei seinen frühen Klangskulpturen zeigte der Künstler einen ausgeprägten Sinn für das Spielerische. Dies hat er in ganz eigenwilliger Art und Weise auf seine Malerei übertragen. So trifft auch hier das Zitat nach Antoni Tapiés zu, mit dem Dr Gabriele Uelsberg 1990 einen Text zu seinen Skulpturen überschrieb: „Kunst ist wie ein Spiel; nur im Zustand der Unschuld erfassen wir ihren tiefen Sinn und wer weiß, ob das nicht für alles Menschliche gilt.“
Die spielerische Herangehensweise eröffnet dem Betrachter seine persönliche Lesart der einzelnen Werke, die immer eine offene Interpretationsmöglichkeit bieten. Zwar hat der Künstler häufig konkrete Ansätze im Kopf, öffnet seine Arbeiten aber jeder anderen oder weitergehenden Auslegung. Bei den Siegern wählte er als Vorlage für die Männergruppe eine Fotografie aus den 1960er Jahren, die eine Gruppe Arbeiter zeigt. In Siegerpose reißen zwei der vier Männer die Arme hoch. Verschiedene Versatzstücke können den Betrachter auf das Thema der Arbeiter und eines politischen Inhalts führen. Die Brillen können als Schutzbrillen gelesen werden, die Frisur der nach vorn ausgerichteten Hauptfigur weist auf eine gewisse Zeitmode hin, und nicht zuletzt deutet das an den linken Bildrand gesetzte und deutlich zu erkennende Porträt Willy Brandts in eine politische Richtung. Bei unbedachterem Betrachten könnten die Brillen aber auch als Taucherbrillen interpretiert und die Gruppe für einen Verein von Schwimmern und somit Protagonisten eines sportlichen Ereignisses gesehen werden.
Spannungsreich ist, wie Kunstic seine Unterlage und die darüber gelegte Darstellung miteinander verbindet und zu einem einheitlichen Bild kombiniert. Dabei bleiben die Bedeutungsträger – wie das Brandt-Porträt oder die Betonung der Kunst durch den Schriftzug Die Art (am rechten Bildrand) - bestehen. Er legt seine Figuren größtenteils nur in den Konturlinien an und gewährleistet so einen „Durchblick“ auf den Untergrund. Dabei werden die Struktur der Grundlage und teilweise auch ihre Farbigkeit mit berücksichtigt. Wie bei den Siegern bildet der Untergrund oft ein Raster, bestimmt durch die rechteckige Größe der (Katalog-)Blätter, oder es ergibt sich eine waagerechte Struktur, wie es die eingearbeiteten Notenblätter hervorbringen. Auch werden einzelne Fragmente des Untergrundes zu Gestaltungselementen, wie die Zielscheibe, die hier auch als „Achselhaare“ gelesen werden kann. Hier zeigt sich eine für Kunstic typische und prägende Eigenschaft. Trotz aller möglichen inhaltlichen Interpretationen hat er sich immer ein Augenzwinkern und eine gute Portion Humor bewahrt.
Auch bei der Wahl der Titel, die zum Werk mit dazu gehören und Kunstic teilweise als Wortkünstler zeigen, spiegelt sich sein Augenzwinkern. Als Frauchen bezeichnet er seine Verarbeitung des wohl berühmtesten Marilyn-Monroe-Bildes, des Film-Stills aus Das Verflixte siebte Jahr. Er spielt mit dem Wissen des Betrachters, der wohl in den allermeisten Fällen diese Vorlage entziffern kann, und legt dem Sexsymbol der 50er und 60er Jahre einen auf dem Rücken liegenden und nach Streicheleinheiten bettelnden Hund zu Füßen. Zwar scheint sich die Filmdiva nicht an ihrem Begleiter zu stören, doch ermöglicht ihm seine Position einen direkten Blick unter den Rock, eine Begehrlichkeit der Betrachter, mit der das Bild spielt und aus der es seine Wirkung zieht. Wieder liegen Werke der bildenden Kunst – ebenfalls teilweise Ikonen des kollektiven Bildgedächtnisses – der Darstellung zugrunde. Der Schriftzug „Die Art“ durchbricht die Linie des tief liegenden Horizonts.
Der Hund und im Umriss wiedergegebene Figuren der (Kunst-) Geschichte begegnen dem Betrachter auch in anderen Bildern. So warten Henri Toulouse-Lautrecs Damen der Halbwelt – dem mittelalterlichen Herrscher beim königlichen Spiel des Schach zusehend – unter dem Titel Wartespiele auf ihre nächsten Kunden. Das Embryo Leonardo da Vincis bildet mit Picassos Figur des Denkers, aber auch des Verzweifelten eine Schnittmenge. Kunstic stellt in diesen Arbeiten, in denen er konsequent der Figur als Gestaltungsmittel treu bleibt, die Dinge in einen neuen Zusammenhang.
Nach seinen Skulpturen sucht Mladen Kunstic mit der Malerei neue Wege, bleibt aber auch vielen seiner Interessen und Vorlieben treu. So zeigen die Buchblumen, die Gartenmusik und die Notenblätter immer wieder aufs Neue seine große Liebe zur Musik. Diese wird noch überlagert durch die Liebe zur Natur, die hier in Form von Blatt und Blüte in Erscheinung tritt. Und noch ein weiterer Aspekt zeigt sich hier deutlich, der auch schon in den bisher besprochenen Bildern angelegt ist: Die Befragung der Reihung. So kehren die Blüten und Blätter immer wieder. Sowohl der Untergrund in seinen Strukturen – besonders bei den Noten –, als auch das florale Element weisen Reihungen auf. In der Komposition werden Blüten und Blätter, manchmal nur in ihrer Farbigkeit unterschieden, eingesetzt und können sich bis zum Ornamentalen verdichten. Der „Klang“ dieser Werke spielt dabei eine zentrale Rolle.
Manufactus Edition 1000
Während Kunstic bei den großen Formaten zunächst Skulpturen herstellt und sich dann der Malerei zuwendet, beschäftigt er sich seit 1989 kontinuierlich mit einem kleinformatigen Bereich, der als grafische Collage bezeichnet werden kann. Auch hier widersetzten sich seine Arbeiten den klassischen Gattungsbegriffen. Besonders bei den frühen Arbeiten spielt der Einfluss seiner Skulpturen hinein, der später zugunsten einer stärker malerischen Ausrichtung abgelöst wird. Die chronologisch angelegte Folge spiegelt seine sich verändernden künstlerischen Schwerpunkte.
Das Stehkreuz aus dem Jahre 1989 ist ein Beispiel für die Nähe zur Skulptur. Nicht nur in der Materialität – Papier und Metall – weist es auf die Dualität zwischen Grafik und Skulptur, auch in seinen Wandlungsmöglichkeiten gehört es zum einen wie zum anderen: das Kreuz kann die Zweidimensionalität der Grafik zugunsten der Dreidimensionalität der Skulptur verlassen.
Die Idee der Jahresgabe hat Mladen Kunstic zu diesen Arbeiten angeregt. Er selbst betitelt die Reihe als Manufactus-Edition, also als das Handgemachte, und sieht sie zusammenhängend wie auch als Einzelstücke. Hier bietet sich für den Künstler die Möglichkeit, am Ende eines Jahres über das Vergangene zu reflektieren und dies künstlerisch umzusetzen. Dabei ist die Wahl der Themen völlig subjektiv, oft sogar sehr persönlich. Er wählt aus, was ihn beschäftigt, unabhängig davon, ob es vielleicht banal erscheint. Dem Betrachter steht dabei offen, ihm zu folgen oder sich ganz eigene Gedanken, Interpretationen und Vorstellungen zu machen. Die von Kunstic sorgfältig und manchmal nahezu philosophisch ausgewählten Titel können dabei den Weg weisen oder genau vom Weg abbringen. Wobei die jeweilige Ausdeutung des Einzelnen auch immer für diesen richtig ist.
Bahnübergang heißt das blaue Kreuz, durch ein Federstahlband zu einem doppelbalkigen Kreuz ergänzt. Er lässt Assoziationen zur Verbindung der Kulturen zu. Die Form erinnert an das russische Kreuz, während man bei Bahnübergang an das westliche Andreaskreuz denken kann. Der Übergang zwischen den beiden Kulturen ist hier von dem in Zagreb, im ehemaligen Jugoslawien/heute Kroatien geborenen Künstler geöffnet worden. Auch die Zwei-Heit thematisiert das Doppelte, das Verschiedene und das doch Zusammengehörige – Metall und Papier, Skulptur und Grafik, Ganzes und Geschnittenes, Farbiges und Weißes – um nur einige der Gegensatzpaare zu nennen, die bis weit in den sozial-kulturellen Raum erweitert werden könnten. Dass die Interpretation bis in den gesellschaftlichen Bereich ein Anliegen Kunstics ist, zeigt die Arbeit Heimat. Zwei rote Herzen werden in Frottagetechnik auf das glatte Papier übertragen und zeigen die beiden Herzen des Künstlers. Während das hintere, rote und unversehrte Herz für seine deutsche Heimat steht, zeigt das weiße kroatische Herz das Geschoss, mit dem es getroffen wurde. Der Krieg, der sein Heimatland so lange erschüttert hat, wird in diesem Akt sichtbar und fühlbar. Die Zwei-Heit als Thema des Vorjahres scheint sich auch hier auf die Heimat zu beziehen.
Dabei bieten die Editionen Mladen Kunstic die Möglichkeit, in den unterschiedlichsten Techniken zu arbeiten und sich darin auszudrücken. In Farbe wie Form äußerst reduziert, zeigt sich der Vorhang als „geschnittenes Bild“. Das neue Haus zeigt in dieser Edition erstmals eine besondere Vorliebe Kunstics, nämlich den Einsatz von Stempeln. In der (Kunst-) Geschichte haben Stempel eine uralte Tradition. Sie bieten zum ersten Mal die Möglichkeit, z.B. Muster im Rapport zu bringen, aus ihnen entwickelt sich im 15. Jahrhundert der Holzschnitt, und in den asiatischen Ländern werden sie als Namensstempel und Signaturen benutzt. In unserer Gesellschaft sind sie – meist amtlich - ein Symbol der Macht, verkünden häufig vermeintliche Wahrheiten und verweisen auf Rechtsakte. Die Stempel, die Kunstic verwendet, können sowohl objects trouvés sein, die aus einem Verwaltungsbereich aussortiert wurden oder übrig geblieben sind und nun in seiner Kunst ihre Botschaften besiegeln, oder der Künstler lässt sie je nach Bedarf und Thema anfertigen. So werden die Belange des Neuen Hauses vom Betriebsrat bestätigt, während die Zentrale sich durch das untrügbare Merkmal des Fingerabdrucks ausweist. Neben solcher persönlicher Merkmale wie einem Umzug oder einer Verletzung – Kreuzfinger – die aber so zum ganz besonderen persönlichen Merkmal wird, kommen auch weltpolitische Themen wie Hunger oder der Kampf der Kulturen vor.
Der zunehmende Einsatz von Farbe in den Arbeiten Kunstics kündigt sich in dem Dreiklang der Grundfarben Blau – Rot – Gelb von 1997 an, die der Künstler aufträgt und mit dem Rakel aus dem glatten Papier wieder herausreißt, was die besondere Struktur bedingt. Dass die „Kündigung per Kopie“ hier einen Beginn (für Kunstic den seiner Malerei) markiert, kann ebenfalls offen interpretiert werden. Im Grundfarbenkontrast von Blau und Rot führt er ein Jahr später sein Thema des Netzwerks aus. Auch hier kommt zu der malerischen, wieder mit dem Rakel bearbeiteten Farbe die Form der Collage hinzu, indem er ein Gewebenetz, vielleicht als Leitraster für den gedanklichen Prozess, mit hineinbringt.
Wiederum persönlich und romantisch ist die Arbeit Frankreich, die der Künstler nach einem Aufenthalt in dem westlichen Nachbarland anfertigte. Jeder Betrachter verbindet mit diesem Land und den Landesfarben, die hier in der geschnittenen Struktur des Bildes auch an die Flagge erinnern, eigene Erinnerungen und wer denkt bei Paris nicht an die Stadt der Liebe.
Die Arbeit, die bisher wohl am stärksten mit den Gesetzen der Malerei spielt, ist Reminder, wenn auch die inhaltliche Ausdeutung in ganz andere Bereiche gehen kann. Zunächst setzt Kunstic den Komplementärkontrast Rot und Grün auf das Papier, in der ausgedehnten Form von Punkt und Linie. Durch die breiten Pinseldimensionen kommt die Fläche mit ins Spiel, und so sind die wichtigsten Gestaltungsmerkmale der Malerei in minimaler Ausführung vorhanden. Der zugefügte Stempel gilt als Gedächtnisstütze („Reminder!) und fordert uns auf „Bleib’ hier!“ Vielleicht ist es auch eine unbewusste Aufforderung des Künstlers an sich selbst, nun bei der seit 1997 für ihn neu entdeckten Gattung der Malerei zu verweilen.
Doch zeigt er in den Arbeiten der Edition an anderen Stellen eine sehr wenig malerische Bildfindung, wie in Dont forget! aus dem Jahre 2002. Hier ist es ganz das schockierende Erlebnis der Zerstörung der Twin Towers des World Trade Centers in New York und der damit verbundene Tod vieler tausend Menschen am 11. September 2001, das seine Jahresrückschau dominiert. Zwei hochformatige Stempel symbolisieren die Türme, während andere die Versicherungsmentalität der Menschen ad absurdum führen. Den Sockel der Türme bildet die Mitteilung einer „Bestätigung“ und „Kasse bitte zahlen“. Besonders schmerzhaft weist das Wort „Erloschen“ auf die unfassbaren Ausmaße dieses Terroranschlags. Die Aufforderung des Künstlers Don’t forget! sollte hier von allen Betrachtern wörtlich genommen werden.
Hochkomplexe, der Wegwerfgesellschaft entstammende Dinge wie der Eckenschutz werden von Kunstic wie eine Art Ready made übernommen. Durch Aufklappen der Pappen entsteht ein Bild mit verschlüsselten Botschaften („30 x 40“, „b+h“) und eigener skulpturaler wie ästhetischer Wirkung. Aus einem anderen Fundstück, einem Gesangbuch, nimmt Kunstic die Seite mit dem „Agnus Dei“ heraus. Große rote Stempel rahmen die Gesänge mit der Botschaft „sofort vorzulegen“, der gestempelte Wochenablauf der Arbeit Days warnt am Mittwoch zur „Vorsicht“.
Eine neue Bearbeitungsmethode findet Kunstic in der Arbeit Homosapiens von 2005. Zwei Füße bzw. Fußabdrücke verbinden sich und enden in Spiralen. Sie wurden vom Künstler in das Papier gefräst, eine Bearbeitungsmethode, die für Papier ganz untypisch ist. Dieses Herausnehmen der Kontur schafft einen eigenen ästhetischen Effekt und zeigt die Experimentierfreude und das kreative Potential Kunstics auch im Bereich der Techniken.
Momentan ist Homosapiens das letzte Blatt des Zyklus. Dies wird nicht so bleiben, da der Künstler mit der Manufactus Edition 1000 ein langangelegtes Ziel verfolgt. Zu jedem folgenden Jahr wird eine weitere Arbeit entstehen und die Reihe komplettieren. Die Vision Kunstics sieht vor, Jahr für Jahr ein neue Arbeit zu gestalten, so dass die Edition am Ende seines (Lebens-) Weges als eine Art Rückblick auf sein künstlerisches Leben bedeutet. Damit wird der Vergänglichkeit des Lebens der Gedanke des Überdauerns der Kunst entgegengestellt.
Manufactus Edition 71
In einer zweiten Folge, der Manufactus Edition 71, beschäftigt Kunstic sich weiter mit dem kleinen Format. Die in den Jahresgaben anklingenden Möglichkeiten werden hier ausgebaut und weiter befragt. Die kleine Auflage von 71 Multiples erwähnt der Titel. Kunstic selbst bezeichnet die Werke als eine Art Reservoir der Kreativität, wo er umsetzen kann, was ihm beim Malen großer Formate einfällt und wofür er eine andere Ausdrucksmöglichkeit als die Malerei sucht. Viele der Blätter zeigen politische, zeit- und gesellschaftskritische Aspekte, die aber wiederum - ganz nach Kunstics Art - auch mit einem Augenzwinkern zu lesen sind.
Die Frottage und der Stempel, aber auch die Collage spielen bei diesen Arbeiten auf Papier eine große Rolle. So überträgt der Künstler in der Frottagetechnik in Brain book eine Kreuzstruktur auf das Papier und stempelt die Aufforderung „BÜCHER Bleibt hier!“, nur auf den zweiten Blick zu entziffernd zwischen den Strukturen. Auch beim Brain storm sind überkreuzende Bänder auffrottiert, die wie ein großes Geflecht erscheinen, in der Mikrostruktur aber kristallin sind. Hier werden Kunstics Arbeiten ganz dem nahsichtigen Medium der Grafik gerecht, wo im Kleinteiligen eine eigene Struktur und damit auch Bedeutungsebene sichtbar werden kann. Die kristallinen Formen, die eine bemerkenswerte Vielfalt aufweisen, können hier – unter dem Titel „Brain storm“ – sowohl auf den großen Einfallsreichtum der Natur hinweisen als auch auf die Gehirnwindungen selbst. In der Makrostruktur verkünden die Stempel nüchtern „Zweitschrift Bücher Bezahlt“.
Als ernster und tiefsinniger Künstler erscheint Kunstic, wenn er den Bildschmuck aus Todesanzeigen zu einer Collage zusammensetzt und mit Stempeln in Kreuzesform überdeckt, die nach Vertragsnummern und Auszahlungen fragen. Der Titel „Was bleibt“ stimmt nachdenklich und weist auf die Vergänglichkeit des Lebens und den Fortbestand des bürokratischen Aktes.
In verschiedene Werke bringt der Künstler sich selbst mit ein, in Form seines aufgestempelten Namens. Dabei wird der Stempel zum Selbstporträt. Dies kann wie beim „Kunstic Kreuz“ in Verbindung mit auch in anderen Werken verwendeten Formen geschehen: die Hintergrundstruktur findet sich in einer Reihe weiterer Arbeiten und den Stempel „Kreis im Quadrat“ hat der Künstler u.a. auch bei den „Bullaugen“ verwendet. Aber auch in der Stadtkulisse von München mit den beiden markanten Türmen der Frauenkirche ist Kunstics Selbstporträt präsent. Im „One Way“ ist er gefangen im geschlossenen Kreis seiner gestempelten Identität und der Stempel im Zentrum „Entgelt zahlt Empfänger“ ist ein Hinweis auf die Verbindung von Kunst und Wirtschaft. Wie üblich mit einer guten Portion Ironie zeigt sich Kunstic über der zweiten Arbeit mit Münchener Hintergrund als „Säule der Gesellschaft“, die auf drei etwas wackeligen Pfeilern ruht.
Im „1. Februar“ arbeitet Kunstic ein Blatt aus einem gefundenen Gesangbuch ein, rahmt dieses mit seinen Namensstempeln, warnt in der Mitte vor Büchern und Brief und gibt in der Doppelung die Bearbeitung bekannt: Auf EDV übernommen Dat. 01. Feb. Ein Hinweis auf den baldigen Verlust von haptischem Wissens- und Informationsmaterial ( Bücher, Zeitungen, Briefe ) und den Beginn einer neuen Zeit der elektronischen Medien.
Seine romantische Ader zeigt der Künstler in der Manufactus Edition 71 in verschiedenen Blumenstücken und der „Arbeit Aachen wa!“, in der er die Liebe zu seiner Wahlheimat thematisiert. In „Aachener Dom“ bringt er eine neue Technik ein, er siegelt in rotem Lack das Wahrzeichen Aachens aufs Papier. Hierzu benutzt er eine Schokoladenmatrize eines bekannten Aachener Süßwarenherstellers. In altdeutscher Schrift wird das „Deutsche“ benannt, mit einem neutralen Stempel „Päckchen Paquet“. Kunstic öffnet dem Betrachter Denkräume, die es auszufüllen gilt.
Gesellschaftskritisch wird es in der Arbeit „Europa Grenze“, in der das kleine Kreuz an die vielen Toten erinnert, die diese noch „offene Grenze“ in der Vergangenheit gefordert hat. Bei der „Erinnerung“ siegelt Kunstic den „Europa Geier“ in Form eines 10 DM-Geldstücks auf das mit einer schwarzen Struktur bedeckte Papier. Wird es ein Europa der Menschen, die auf der Grundlage von sozialer und kultureller Gleichberechtigung und Gerechtigkeit leben oder ein Europa der „Europa Geier“?
In den jüngsten Arbeiten setzt Kunstic sich in erster Linie mit der deutschen Geschichte auseinander. Fundstücke in Form von alten Briefmarken finden hier Verwendung. So weist die „Spurbreite“ eine Briefmarke mit „Hitlerkopf“ und „Reichsbahn Stempel“ auf und gibt 60 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges erneut Anstoß zur Auseinandersetzung mit dem 3. Reich.
Das „Brandenburger Tor“, ebenfalls durch eine historische Briefmarke vertreten und mit dem Stempel des aufgehenden Kreuzes bekrönt, kann an die jüngeren deutschen Ereignisse wie Mauerfall und Wiedervereinigung denken lassen. Dabei kann das Kreuz auch als Zeichen des Christentums gelesen werden und an die aktive Unterstützung des Papstes Johannes Paul II. in diesem politischen Prozess erinnern. Der historische Gang des Kirchenoberhauptes mit dem Altbundeskanzler Helmut Kohl 1996 durch das Brandenburger Tor, war hier die symbolische Geste für die Macht der Freiheit und Friedfertigkeit. Für den aus Kroatien stammenden Künstler war die Auflösung der deutschen Mauer und des Kommunismus von besonderer Bedeutung. Die „braune Soße“, die den Hintergrund dieser Arbeit bildet, erinnert aber auch an eine andere Vergangenheit, die zum Mauerbau geführt hat, die nicht wiederkehren darf.
Mladen Kunstic erweist sich in seinen Arbeiten als äußerst vielseitiger und beeindruckend kreativer Künstler. Nicht nur in den Techniken und künstlerischen Medien sucht er nach immer neuen Ausdrucksmöglichkeiten und Herausforderungen, auch bei den Themen zeigt sich eine erstaunliche Bandbreite. Sozial- und gesellschaftspolitische Themen stehen neben romantischen und musischen Arbeiten, Augenzwinkern und Ironie neben Ernsthaftigkeit und Anteilnahme. Dabei bieten ihm die Manufactus Editionen einen besonderen Raum der Freiheit, seine Ideen umzusetzen, seine Themen in die Welt zu bringen.
Dieser dynamische Weg wird auch in Zukunft viel Freiraum für neue künstlerische Ausdrucksformen bieten.
Christine Vogt

